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Metro 2034

Metro 2034

Titel: Metro 2034 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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auf eine weitere Reise mit Hunter einzulassen.
    Doch war da etwas, das ihn schließlich überzeugte: Die Anwesenheit des Brigadiers hatte in ihm jene Art von Metamorphose ausgelöst, die er schon so lange herbeisehnte
    und von der er sich eine Wiedergeburt versprach. Es war dem Alten egal, warum Hunter ihn noch einmal mit sich schleppte - sei es als Lotse oder als wandelnden Proviant.
    Die Hauptsache für Homer war, sich diesen Zustand nicht entgehen zu lassen, ihn zu nutzen, solange er noch andauerte, sich etwas einfallen zu lassen, etwas aufzuschreiben. Und dann: Als Hunter ihn gerufen hatte, war es Homer so vorgekommen, dass jener auch etwas von ihm wollte. Und es ging nicht darum, dass er ihm in den Tunneln den Weg zeigte und ihn vor möglichen Gefahren warnte. Vielleicht nahm sich der Brigadier, indem er dem Alten gab, was er brauchte, ja selbst etwas von ihm, ohne danach zu fragen? Doch was war es, das ihm fehlte? Hunters äußerliche Gefühllosigkeit konnte Homer nicht mehr trügen. Hinter der Kruste seines gelähmten Gesichts kochte ein Magma, das bisweilen über die Krater seiner ewig offenen Augen hinaustrat. Er war unruhig. Auch er war auf der Suche.
    Hunter schien perfekt geeignet zu sein für die Rolle des epischen Helden in Homers zukünftigem Buch. Anfangs hatte der Alte noch gezögert, doch nach ein paar Versuchen hatte er ihn angenommen. Auch wenn vieles am Charakter des Brigadiers - seine Leidenschaft für das Töten, seine kargen Worte und sparsamen Gesten -ihn vorsichtig machten. Hunter war wie jene Mörder, die der Polizei verschlüsselte Hinweise zukommen lassen, damit sie überführt werden. Homer wusste nicht, ob der Brigadier in ihm einen Beichtvater, einen Biografen oder eine Art Spender von irgendetwas sah, doch er spürte, dass diese seltsame Abhängigkeit auf Gegenseitigkeit beruhte. Und dass sie bald stärker sein würde als seine Angst.
    Tatsächlich wurde Homer das Gefühl nicht los, dass Hunter ein äußerst wichtiges Gespräch hinauszögerte. Immer wieder wandte sich der Brigadier ihm zu, als wollte er ihn etwas fragen, blieb jedoch stumm. Vielleicht hatte der Alte aber auch wieder einmal Wunsch und Wirklichkeit verwechselt, und er war nichts als ein unnötiger Zeuge, dem Hunter irgendwo im Tunnel den Hals umdrehen würde.
    Immer häufiger fiel der Blick des Brigadiers auf den Rucksack des Alten, in dem das unheilvolle Tagebuch steckte. Er schien zu spüren, dass Homers Gedanken um einen gewissen Gegenstand darin kreisten, und näherte sich ihm langsam, aber stetig. Krampfhaft versuchte Homer, nicht an die Notizen zu denken - doch vergebens.
    Er hatte kaum Zeit zum Packen gehabt und daher nur ein paar Minuten mit dem Tagebuch allein verbracht. Natürlich hatte das nicht gereicht, um all die blutverklebten Blätter zu befeuchten und voneinander zu trennen, aber einen Teil der Seiten hatte Homer doch überfliegen können. Sie waren kreuz und quer mit eiligen, bruchstückhaften Aufzeichnungen vollgeschrieben. Zudem stimmte die Reihenfolge nicht, als ob dem Autor seine Worte ständig entglitten wären und er sie nur mit großer Mühe an irgendeiner Stelle aufgeschrieben hätte. Damit sie jetzt einen Sinn bekamen, musste Homer sie in der richtigen Reihenfolge ordnen.
    »Kein Kontakt. Das Telefon schweigt. Wahrscheinlich Sabotage. Jemand von den Verbannten, aus Rache? Noch vor uns.« »Lage ausweglos. Hilfe von nirgends zu erwarten. Die Sewastopolskaja anzufordern wäre das Ende für die unsrigen. Also bleibt nur ausharren. Wie lange noch?«
    »Sie lassen uns nicht raus. Sie sind verrückt geworden. Wenn nicht ich, dann wer? Fliehen!« Und da war noch etwas. Gleich nach jenen letzten Worten, die dringend vor einer Erstürmung der Tulskaja warnten, stand eine Unterschrift -undeutlich, abgestempelt mit dem braunen Siegellack blutiger Finger. Diesen Namen hatte Homer schon früher gehört, ja er hatte ihn sogar selbst nicht selten ausgesprochen. Dieses Tagebuch gehörte dem Funker, der vor einer Woche mit der Karawane zur Tulskaja geschickt worden war.
    Sie kamen an der Abzweigung zu einem der Metro-Depots vorbei, das ohne Zweifel längst ausgeräumt worden wäre, hätte es nicht so viel Strahlung abbekommen. Der schwarze Tunnel, der dorthin führte, war offenbar in aller Eile mit zusammengeschweißtem Bewehrungsstahl verbarrikadiert worden. Auf einem Blechschild, das an einem Stück Draht von einem der Stäbe herabhing, grinste ihnen ein Totenschädel entgegen, und darunter sah man die

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