Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Metro 2034

Metro 2034

Titel: Metro 2034 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
Vom Netzwerk:
Feuers spiegelte.
    Von Zeit zu Zeit tauchte er mit sichtlicher Anstrengung wieder auf, wie um Luft zu holen. Er riss sich von seiner Lektüre los, starrte ängstlich auf das runde Stückchen Nachthimmel am Ende des Tunnels, doch das blieb unverändert: Der rasierte Schädel war endgültig verschwunden.
    Und sogleich verschlang ihn der Notizblock wieder mit Haut und Haaren. Jetzt begriff sie, warum er Wasser auf das Papier spritzte: Er versuchte die verklebten Seiten voneinander zu lösen.
    Offenbar gelang ihm das nur schlecht, einmal schrie er sogar auf, als hätte er sich geschnitten: Eine der Seiten war auseinandergerissen. Er fluchte, beschimpfte sich selbst und erst dann bemerkte er, wie aufmerksam sie ihn beobachtete. Verlegen rückte er erneut seine Gasmaske zurecht, doch sprach er kein Wort zu ihr, bevor er nicht bis zu Ende gelesen hatte.
    Dann lief er zum Feuer und schleuderte den Notizblock hinein. Er sah Sascha nicht an, und sie verstand: Es hatte keinen Sinn nachzufragen. Er würde sie doch nur anlügen oder gar nichts sagen. Auch gab es Dinge, die sie jetzt wesentlich mehr beschäftigten. Sie schätzte, dass der Kahle bereits eine ganze Stunde weg war. Hatte er sie zurückgelassen wie unnötigen Ballast? Sascha setzte sich zu dem Alten und sagte leise: »Der zweite Tunnel ist ebenfalls verschlossen. Und alle Schächte in der Umgebung sind vermauert. Es gibt nur diesen einen Eingang.«
    Der Mann betrachtete sie zerstreut. Offenbar kostete es ihn Überwindung, sich auf das zu konzentrieren, was er eben gehört hatte. »Er findet einen Weg. Er spürt ihn.« Er schwieg eine Minute lang, dann fragte er, wohl eher aus Höflichkeit: »Wie heißt du?« »Alexandra«, antwortete sie ernst. »Und du?« »Nikolai.«, begann er und streckte ihr die Hand entgegen, doch dann zog er sie plötzlich krampfhaft zurück, bevor Sascha sie berühren konnte. Es schien, als habe er es sich anders überlegt. »Homer. Ich heiße Homer.« »Homer. Seltsamer Spitzname«, entgegnete Sascha nachdenklich. >»So heiße ich eben«, behauptete Homer steif und fest. Sollte sie ihm erklären, dass sie, solange sie bei ihnen war, vor geschlossenen Türen stehen würden? Wären die beiden Männer allein hierhergekommen, das Tor hätte auch weit offen sein können. Die Kolomenskaja ließ Sascha einfach nicht fort. Sie bestrafte sie dafür, wie sie mit ihrem Vater umgegangen war. Sie hatte versucht zu fliehen, doch nun war die Kette gespannt, und sie konnte sie nicht zerreißen. Die Station hatte sie schon einmal zurückgeholt - sie würde es auch ein zweites Mal tun. Sosehr sie diese Gedanken und Bilder auch zu verscheuchen versuchte wie blutsaugendes Ungeziefer, sie kamen stets wieder, umkreisten sie immerfort, krochen ihr in Ohren und Augen. Der Alte hatte Sascha noch etwas gefragt, doch sie antwortete nicht. Ein Tränenschleier legte sich über ihre Augen, und wieder hörte sie die Stimme ihres Vaters sagen: Nichts ist wertvoller als das menschliche Leben. Erst jetzt begriff sie wirklich, was er damit sagen wollte.
    Das, was an der Tulskaja vor sich ging, war für Homer nun kein Rätsel mehr. Die Erklärung war einfacher und furchtbarer, als er gedacht hatte. Und jetzt, nachdem er die Einträge in dem Notizblock entziffert hatte, begann eine noch viel schlimmere Geschichte: Das Tagebuch entpuppte sich für Homer als Menetekel, es führte ihn auf eine Reise ohne Wiederkehr. Nun, da er es in der Hand gehabt hatte, würde er es nie wieder loswerden - er mochte es verbrennen, sooft er wollte.
    Außerdem hatte es sein Misstrauen gegenüber Hunter durch weitere gewichtige, ja unwiderlegbare Indizien geschürt, auch wenn Homer nicht die geringste Ahnung hatte, was er damit anfangen sollte. Was er in dem Tagebuch gelesen hatte, widersprach völlig den Behauptungen des Brigadiers. Dieser hatte gelogen, und zwar ganz bewusst. Homer musste herausfinden, wozu diese Lüge diente, ja ob sie überhaupt einen Sinn gehabt hatte. Davon hing ab, ob er Hunter weiter folgen würde und ob sein Abenteuer als heroisches Epos endete oder als blindwütiges Gemetzel ohne überlebende Zeugen.
    Die ersten Einträge in dem Notizblock datierten an dem Tag, als die Karawane problemlos die Nagornaja passiert und sich der Tulskaja genähert hatte, ohne auf irgendeinen Widerstand zu treffen.
    »Wir sind bald bei der Tulskaja. Die Tunnel sind ruhig und leer«, berichtete der Funker. »Wir kommen schnell voran, ein gutes Zeichen. Der Kommandeur rechnet damit, dass wir

Weitere Kostenlose Bücher