Metro2033
Die beiden anderen standen stramm, das Gewehr vor die Brust gedrückt. Die Soldaten stammten wahrscheinlich aus verschiedenen Sammlungen, denn man konnte mit ihnen überhaupt nicht spielen: Der Offizier lief in die Schlacht, während seine tapferen Krieger still und steif dastanden - wie die beiden Grenzsoldaten der Roten Linie - und vom Krieg nichts wissen wollten. Seltsam: An diese Spielfiguren erinnerte er sich noch genau, das Gesicht seiner Mutter jedoch wollte ihm einfach nicht mehr einfallen.
Der Kusnezki Most wurde relativ gut in Schuss gehalten. Wie an der WDNCh war hier die Notbeleuchtung in Betrieb. Die Decke entlang zog sich eine rätselhafte Stahlkonstruktion; vielleicht hatte sie früher zur Beleuchtung des Bahnsteigs gedient. Außer den beiden Zügen war an dieser Station absolut nichts Außergewöhnliches. Artjom konnte seine Enttäuschung vor Michail Profirjewitsch nicht verbergen. »Ich habe immer davon gehört, dass es in der Metro so viele wunderschöne Stationen gibt. Aber wenn ich jetzt hinschaue, sind sie fast alle gleich.«
»Ich bitte Sie, junger Mann! Es gibt prachtvolle Stationen, das glauben Sie gar nicht! Die Komsomolskaja zum Beispiel, eine der Ringstationen, ist ein wahrer Palast. Dort gibt es riesige Deckengemälde, zwar mit Lenin und all diesem Zeug ... Aber was sag ich da bloß!« Michail Porfirjewitsch senkte die Stimme. »Sie müssen wissen, hier wimmelt es von Schnüfflern, Agenten von der Sokolnitscheskaja-Linie, äh, der Roten natürlich - verzeihen Sie, ich bin einfach die alten Namen gewohnt. Jedenfalls sollten wir hier vorsichtig sein. Die lokalen Behörden sind zwar offiziell unabhängig, wollen sich aber mit den Roten nicht anlegen. Wenn die jemanden ausgeliefert haben möchten, kann es durchaus sein, dass sie ihn auch bekommen. Ganz zu schweigen von möglichen Anschlägen.« Er blickte sich ängstlich nach allen Seiten um. »Kommen Sie, wir suchen uns einen Platz, wo wir uns ausruhen können. Ich bin ehrlich gesagt furchtbar erschöpft, und auch Sie, scheint mir, könnten ein wenig Schlaf gebrauchen. Wir übernachten hier, und morgen geht es weiter.«
Artjom nickte. Dieser Tag war tatsächlich endlos lang und anstrengend gewesen. Er brauchte dringend eine Pause. Mit einem neidvollen Blick auf die Züge folgte er Michail Porfirjewitsch. Aus den Waggons drangen fröhliches Lachen und laute Gespräche. In den Türöffnungen, an denen sie vorübergingen, standen Männer, müde von der Arbeit, rauchten und unterhielten sich gepflegt mit ihren Nachbarn über die Ereignisse des vergangenen Tages. An einem Tisch saßen ein paar alte Frauen und tranken Tee unter einer kleinen Lampe, die an einem zottigen Kabel hing. Kinder tobten umher. Auch dies war für Artjom ungewohnt, denn an der WDNCh war die Situation immer äußerst gespannt, und die Menschen rechneten stets mit dem Schlimmsten.
Zwar versammelte man sich dort abends schon auch, um gemeinsam mit Freunden in Ruhe in einem Zelt zu sitzen, doch dass alle Türen weit offen standen, dass man einander einfach so besuchte und überall Kinder herumliefen, das gab es bei ihnen nicht. Irgendwie ging es den Menschen hier zu gut. Schließlich fragte Artjom: »Wovon leben die hier?«
»Ach, das wissen Sie nicht? Dies ist der Kusnezki Most. Hier gibt es die besten Techniker und die größten Werkstätten der Metro. Die Sokolnitscheskaja-Linie lässt hier all ihre Geräte reparieren, und sogar vom Ring kommen sie hierher. Diese Station ist in ständigem Aufschwung. Hier sollte man leben!« Michail Porfirjewitsch seufzte verträumt. »Aber in dieser Hinsicht sind sie ganz streng ...«
Vergebens hoffte Artjom, sie könnten sich in einem der Waggons schlafen legen. In der Mitte des Saals standen eine Reihe großer Zelte, ähnlich denen, die sie an der WDNCh hatten, und auf dem ersten war in geraden, mit Schablone gemalten Buchstaben das Wort H OTEL zu lesen. Eine lange Schlange von Flüchtlingen wartete davor, doch Michail Porfirjewitsch rief den Verwalter beiseite, klimperte mit dem Metall in seiner Tasche, flüsterte ihm irgendetwas Magisches ins Ohr, das mit »Konstantin Alexejewitsch« begann - und das Problem war gelöst.
»Hier entlang«, bedeutete der Verwalter ihnen mit einladender Geste, und Wanetschka gab ein freudiges Gestammel von sich.
Sogar Tee bekamen sie, ohne dass sie etwas zuzahlen mussten, und die Matratzen auf dem Boden waren so weich, dass Artjom, der einfach auf sein Lager geplumpst war, gar nicht mehr aufstehen
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