Metro2033
Nähe, daher konnte sich ein Teil der Generäle ebenfalls dorthin retten. Ganz zu Anfang rissen die Offiziere die Macht an sich, und die Polis wurde lange von einer Art Junta regiert. Doch die Menschen waren mit dieser Herrschaft aus irgendeinem Grund unzufrieden, und es begannen ziemlich blutige Unruhen, allerdings schon lange vor dem Krieg mit den Roten. Damals ließen sie sich auf einen Kompromiss ein, und der Rat wurde gegründet. Und dort bildeten sich zwei Fraktionen heraus: die Bibliothekare und die Offiziere. Eine seltsame Kombination. Wissen Sie, die Offiziere hatten zuvor kaum etwas mit den Bibliothekaren zu tun gehabt. Aber nun hatte es sich eben so ergeben. Und natürlich herrscht zwischen diesen beiden Fraktionen ein ewiger Zwist: Mal sind die einen obenauf, mal die anderen. Als der Krieg mit den Roten herrschte, war Verteidigung wichtiger als Kultur, und so hatten die Offiziere mehr Gewicht. Kaum hatte das friedliche Leben begonnen, gewannen die Bibliothekare wieder an Einfluss. Und so geht es ständig, wie ein Pendel, hin und her. Seit neuestem hört man, dass die Offiziere ihre Position wieder gefestigt haben und dass jetzt dort wieder Disziplin herrscht, mit Sperrstunden und anderen Freuden des Lebens.« Michail Porfirjewitsch lächelte sanft. »Dorthin zu kommen ist jetzt genauso schwer, wie zur Smaragdenen Stadt zu gelangen - so nennen wir die Universität und die damit verbundenen Stationen im Scherz. Denn man muss entweder über die Rote Linie oder über die Hanse gehen, aber dort ist natürlich kein Durchkommen, wie Sie sich denken können. Vor den Faschisten hätte man noch über die Puschkinskaja zur Tschechowskaja wechseln können, von dort ist es bis zur Borowizkaja nur ein Tunnel. Zwar kein guter, aber als ich noch jünger war, habe ich ihn bisweilen benutzt.«
Artjom ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen zu fragen, was denn so schlecht sei an dem genannten Tunnel, worauf der Alte erwiderte: »Wissen Sie, dort steht mitten im Tunnel ein ausgebrannter Zug. Wie es jetzt ist, weiß ich nicht - ich war schon lange nicht mehr dort -, aber früher lagen da drin noch verkohlte menschliche Leichen. Manche saßen sogar, es war einfach furchtbar. Ich weiß nicht, wie es dazu gekommen ist. Ich habe meine Bekannten gefragt, was dort geschehen ist, aber niemand konnte mir Auskunft geben ... Jedenfalls, durch diesen Zug kommt man nur sehr schwer hindurch, und außen herum geht es gar nicht, da der Tunnel teilweise eingestürzt und alles um die Waggons herum mit Erde verschüttet ist. Im Zug selbst, in den Waggons meine ich, gehen ungute Dinge vor sich, das kann ich gar nicht beschreiben, wissen Sie, ich bin ja eigentlich Atheist und glaube nicht an diesen mystischen Quatsch, deshalb habe ich das damals auf die Ratten geschoben und auf alle möglichen anderen Kreaturen. Heute bin ich mir allerdings nicht mehr sicher.«
Diese Worte erinnerten Artjom an jenen düsteren Lärm in den Tunneln - und nun erzählte er endlich davon, was mit seiner Gruppe und später mit Bourbon passiert war. Nach kurzem Zögern versuchte er auch die Erklärung wiederzugeben, die ihm Khan gegeben hatte.
»Aber, aber, das ist doch völliger Unsinn!« Michail Porfirjewitsch zog die Augenbrauen streng zusammen. »Ich habe von solchen Dingen bereits gehört. Ich erzähl Ihnen mal etwas, das ich von Jakow Iossifowitsch weiß. Er ist Physiker und hat mir mal erklärt, dass es gewisse Störungen der Psyche gibt, bei denen sich die Menschen von Schwingungen auf extrem niedrigen, nicht hörbaren Frequenzen beeinflussen lassen. Wenn ich mich nicht täusche, um die sieben Hertz ... Und dieses Geräusch kann von selbst entstehen, aufgrund von natürlichen
Prozessen, etwa tektonischen Verschiebungen oder anderem, ich habe damals nicht genau zugehört. Aber die Seelen der Toten? In den Rohrleitungen? Ich bitte Sie ...«
Es war höchst interessant, sich mit dem Alten zu unterhalten. Nichts von dem, was er erzählte, hatte Artjom je zuvor gehört. Dieser Mann sah die Metro aus einer anderen, altmodischen, eigenartigen Perspektive. Offensichtlich zog es ihn mit seinem ganzen Herzen nach oben - er fühlte sich hier noch genauso unwohl wie in den ersten Tagen. Artjom musste erneut an den Streit zwischen Suchoj und Hunter denken und fragte: »Was denken Sie: Wir - die Menschen, meine ich - werden wir dorthin zurückkehren? Nach oben? Werden wir überleben und zurückkehren?«
Sogleich bereute er es, gefragt zu haben, denn es war, als hätte
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