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Metro2033

Titel: Metro2033 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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seinen Pass bereit.
    Zu Artjoms Erstaunen blätterte der Wachmann das Dokument des Alten nur schnell durch und ließ Wanetschka völlig außer Acht, als ob dieser gar nicht existierte. Dann war Artjom an der Reihe. Er hielt dem hageren, schnauzbärtigen Mann seine Papiere hin, und dieser begann jede Seite peinlich genau zu überprüfen. Besonders lange verweilte er mit seiner Taschenlampe auf den Stempeln. Mindestens fünfmal verglich er Artjoms Gesichtszüge mit dem Foto und räusperte sich dabei misstrauisch, während Artjom freundlich lächelte und versuchte, so unschuldig wie möglich auszusehen.
    »Der Pass ist ein sowjetisches Muster. Warum?«, fragte der Grenzer streng. Offenbar hatte er sonst nichts gefunden, woran er etwas hätte aussetzen können.
    »Als es noch die echten Pässe gab, war ich zu klein«, erklärte Artjom. »Später hat unsere Administration dann die erstbeste Vorlage genommen, die zu finden war.«
    Der Schnauzbärtige runzelte die Stirn. »Nicht ordnungsgemäß. Öffnen Sie Ihren Rucksack.«
    Wenn er das Gewehr findet, muss ich bestenfalls wieder umkehren, dachte Artjom. Aber wenn sie es beschlagnahmen ... Er wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    Michail Porfirjewitsch trat nah an den Wachmann heran und flüsterte ihm zu: »Konstantin Alexejewitsch, dieser junge Mann ist mein Bekannter. Ein überaus anständiger junger Mann. Ich kann persönlich für ihn bürgen.«
    Der Grenzer hatte Artjoms Rucksack bereits geöffnet und zu dessen Entsetzen seine Hand hineingesteckt. Nun sagte er trocken: »Fünf«, und während Artjom noch rätselte, was er damit meinte, zog Michail Porfirjewitsch eine Handvoll Patronen hervor und zählte dem Kontrolleur fünf davon in die halb geöffnete Feldtasche an seiner Seite.
    Inzwischen jedoch war Konstantin Alexejewitschs Hand weitergewandert, und sein Gesicht hatte einen interessierten Ausdruck angenommen. »Fünfzehn«, sagte er ungerührt.
    Artjom nickte, zählte seinerseits zehn Patronen ab und ließ sie in ebenjener Tasche verschwinden. Kein einziger Muskel zuckte im Gesicht des Grenzers, er machte nur einen Schritt zur Seite. Der Weg zum Kusnezki Most war frei. Tief beeindruckt von der eisernen Haltung des Mannes ging Artjom weiter.
    Die nächsten fünfzehn Minuten verbrachte er in erregter Diskussion mit Michail Porfirjewitsch, der sich standhaft weigerte, die fünf Patronen von Artjom entgegenzunehmen, da er doch viel tiefer in dessen Schuld stehe und dergleichen mehr.
    Der Kusnezki Most unterschied sich nicht besonders von den meisten anderen Stationen, die Artjom auf seiner Reise gesehen hatte. Der gleiche Marmor an den Wänden, der gleiche Granitboden - nur die Bögen waren hier höher und breiter, wodurch die Station besonders groß erschien.
    Das eigentlich Erstaunliche befand sich auf den beiden Gleisen: dort standen zwei komplette Züge, unfassbar lang und riesig, fast über die gesamte Länge der Station. Ihre Fenster wurden von einem warmen Licht erhellt, das durch verschiedenfarbige Vorhänge nach draußen drang. Die Türen standen weit geöffnet - ein einladender Anblick.
    Noch nie, seit Artjom denken konnte, hatte er etwas Derartiges gesehen. Sicher, er erinnerte sich noch verschwommen an Züge mit hellen, quadratischen Fenstern, die heulend an ihm vorbeirasten. Doch dies waren weit entfernte, undeutliche Kindheitserinnerungen wie alle Gedanken an die Vergangenheit - kaum versuchte man sich etwas im Detail vorzustellen, Einzelheiten im Gedächtnis zu rekonstruieren, schon löste sich das nebulöse Bild wieder auf, zerrann wie Wasser zwischen den Fingern, und am Ende blieb nichts davon übrig. Seit damals hatte er nur den Zug im Tunnel an der Rischskaja und die vereinzelten Waggons in Kitai-gorod und am Prospekt Mira gesehen.
    Artjom blieb wie versteinert stehen, starrte die Züge an und zählte die Waggons auf der gegenüberliegenden Seite - bis sie ganz am Ende, neben dem Übergang zur Roten Linie, im Dunkeln verschwanden. Dort hing, von einem exakten elektrischen Lichtkreis der Dunkelheit entrissen, eine rote Fahne von der Decke, unter der zwei bewaffnete Soldaten in grüner Uniform Haltung angenommen hatten. Aus der Ferne sahen sie klein und irgendwie komisch aus - wie Spielzeugsoldaten.
    Artjom hatte drei davon gehabt, früher, als er noch mit seiner Mutter gelebt hatte. Der eine, ein Offizier, hielt eine winzige Pistole gezückt und schrie etwas nach hinten - wahrscheinlich rief er seine Soldaten auf, ihm in die Schlacht zu folgen.

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