Metro2033
atemlos hinunter, ohne jegliche Vorsicht, so dass sie ein paar Mal fast eingebrochen und direkt auf die kantigen Zahnräder gestürzt wären. Doch stützten und zogen sie sich gegenseitig heraus und bewältigten den Weg zurück in wenigen Sekunden. Die letzten zehn Stufen rollten sie praktisch kopfüber hinab, wobei sie ihre Flinte verloren, und stürzten sich gleich auf das Steueraggregat für die Schleuse. Doch verflucht - das rostige Eisentor verkantete und machte keine Anstalten, an seinen Platz zurückzukehren. Halb tot vor Angst, dass irgendwelche Monster von der Oberfläche sie verfolgten, rannten sie los, zu ihren Leuten am nördlichen Außenposten.
Sie wussten, es war dumm gewesen, das Tor offen zu lassen - vielleicht hatten sie damit den Mutanten einen Weg nach unten verschafft, in die Metro, zu den Menschen. Daher vereinbarten sie, ihre Zungen zu hüten und den Erwachsenen nicht zu erzählen, wo sie gewesen waren. Dem Außenposten sagten sie, sie hätten in einem Seitentunnel Ratten jagen wollen, dann aber das Gewehr verloren, es mit der Angst bekommen und seien umgekehrt.
Artjom bekam damals von seinem Stiefvater eine saftige Abreibung. Sein Hintern brannte noch lange von dem Offiziersgürtel, doch hielt er stand wie ein gefangener Partisane und plauderte das Kriegsgeheimnis nicht aus. Auch seine Kameraden schwiegen. Und man glaubte ihnen.
Aber wenn er jetzt an diese Geschichte zurückdachte, geriet Artjom ins Grübeln: Ob nicht doch jenes Abenteuer - und vor allem die von ihnen geöffnete Schleuse - in einem Zusammenhang stand mit den gespenstischen Wesen, die ihre Außenposten in den letzten Jahren vermehrt angriffen?
Artjom grüßte die Entgegenkommenden, blieb mal hier, mal dort stehen, um die neuesten Nachrichten zu hören, einem Bekannten die Hand zu drücken, ein befreundetes Mädchen auf die Wange zu küssen, den älteren Herrschaften zu berichten, wie es dem Stiefvater ging, und gelangte schließlich zu seinem Zelt. Es war niemand zu Hause, und er beschloss, nicht auf Suchoj zu warten, sondern sich schlafen zu legen. Acht Stunden Wachdienst waren schließlich kein Pappenstiel. Er zog die Stiefel aus, legte die Jacke ab und vergrub sein Gesicht im Kissen. Der Schlaf ließ nicht lange auf sich warten.
Einer der Zeltflügel hob sich, und lautlos schlüpfte eine kräftige Gestalt nach innen, deren Gesicht nicht zu erkennen war. Ein kahler Schädel reflektierte unheilvoll die rote Notbeleuchtung. Eine dumpfe Stimme ertönte: »Siehst du, wir haben uns wieder getroffen. Dein Stiefvater ist nicht da. Kein Problem. Wir kriegen ihn schon noch, früher oder später. Er läuft uns nicht weg. Solange kommst du mit mir. Wir haben etwas zu bereden. Das mit der Sperre am Botanischen Garten zum Beispiel ...« Artjom erstarrte. An der Stimme erkannte er den Mann, der sich als Hunter ausgegeben hatte. Langsam näherte er sich, lautlos, sein Gesicht war nicht zu sehen, das Licht fiel irgendwie seltsam ... Artjom wollte um Hilfe rufen, doch eine große Hand, kalt wie die eines Toten, hielt ihm den Mund zu. Endlich gelang es ihm, seine Taschenlampe zu ertasten, sie einzuschalten und dem Mann ins Gesicht zu leuchten. Und was er erblickte, raubte ihm für einen Moment den Atem: Anstelle eines menschlichen Gesichts, mochte es auch grob und streng sein, sah er vor sich eine schwarze Fratze mit zwei riesigen, sinnentleerten, pupillenlosen Augen und weit aufgerissenem Maul. Artjom sprang auf, riss sich los, rannte zum Zeltausgang. Plötzlich erlosch das Licht, die Station lag völlig dunkel da, nur in weiter Ferne war der schwache Widerschein eines Feuers zu sehen. Ohne lange nachzudenken, stürzte Artjom auf dieses Licht zu. Der Menschenfresser sprang hinter ihm her aus dem Zelt und brüllte: »Bleib stehen! Du kannst nirgendwohin!« Er brach in ein furchtbares Gelächter aus, das nach einer Weile in ohrenbetäubendes Friedhofsgeheul überging. Artjom lief, ohne sich umzudrehen. Hinter sich hörte er das Stampfen schwerer Stiefel, nicht schnell, sondern ruhig und gemessen, als wüsste sein Verfolger, dass er sich nicht beeilen musste, er würde Artjom ohnehin kriegen, früher oder später. Als er sich dem Feuer näherte, bemerkte Artjom, dass dort ein Mann mit dem Rücken zu ihm saß. Schon wollte er ihn an der Schulter packen und um Hilfe bitten, da kippte dieser plötzlich rücklings auf den Boden. Artjom erkannte, dass der Mann schon lange tot war - sein Gesicht war aus irgendeinem Grund mit Raureif überzogen.
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