Metropolis brennt
„Hoffen wir es. Vielen Dank für deine Freundlichkeit. Doch nun muß ich in meine Quartierzone zurückkehren.“
Er verließ die windumtoste Terrasse und betrat den luxuriösen Flur des neunundachtzigsten Stocks, wo er die Treppe zum spartanischen Flur seiner eigenen, weniger luxuriösen Etage hinabstieg. Selene erwartete ihn lächelnd am Fuß der Treppe.
Sie hatte sich hübsch zurechtgemacht – zu hübsch. Sie trug ein stahlfarbenes Korsett und hatte etwas Parfüm benutzt. Ihr Haar hing lang herab. Diese Kombination sprach ihn an, er verschärfte seine Wachsamkeit augenblicklich. Warum hatte sie sich die Mühe gemacht, etwas über seinen Geschmack in Erfahrung zu bringen? Was hatte sie vor? Schließlich war sie Griffins Frau.
„Du kommst herunter ?“ fragte sie. „Wo bist du gewesen?“
„Im neunundachtzigsten Stock. Als Gast meines Freundes Almon. Der Ausblick ist überwältigend.“
„Ich war noch nie …“ murmelte sie, dann fuhr sie mit aller Entschlossenheit fort: „Dorthin gehörst du – oder noch höher. Griffin lacht mich aus, aber er ist ein Narr. Letzte Nacht unterhielten wir uns in der Kammer über dich. Ich weiß auch nicht, wie wir darauf kamen, jedenfalls wurde er schließlich sehr wütend und sagte, er wolle kein weiteres Wort mehr hören.“ Sie lächelte gehässig. „Aber ich bekam meine Rache.“
Er antwortete ihr ausdruckslos. „In Sachen Rache scheinen deine Fähigkeiten außergewöhnlich zu sein, Selene. Auch darin, die Notwendigkeit zur Rache heraufzubeschwören.“
An der Anspannung ihrer Gesichtszüge erkannte er, daß er mit seiner Bemerkung ins Schwarze getroffen hatte, daher eilte er mit einigen gemurmelten Beiläufigkeiten weiter.
Sollte man ihn zum Angelo brennen, aber die war gewiß einfach zu haben! Der Kontrast zwischen ihrer metallischen Kleidung und der weißen Haut war aufreizend, und ihr langes Haar deutete Ungeahntes an. Es war schwer, nicht an die ränkeschmiedende Selene zu denken, doch die ränkeschmiedende Selene wurde in seinem Geist von der Selene im Zimmer verdrängt.
Was hatte sie vor? Hatte sie etwa gehört, daß er nach oben versetzt werden sollte? Wurde Griffin zu den Wartungstrupps versetzt? Sollte er ihr Griffin vom Hals schaffen, damit sie sich zu einer aufsteigenden dritten Partei gesellen konnte? Oder ließ sie ihren Mann ganz einfach nur die Peitsche spüren?
Er wünschte sich düster, die Probleme mit dem Fernglas und das mit Selene wären nicht zusammengetroffen. Der trickreiche Almon hatte von der Jugend als etwas erstrebenswertem gesprochen. Er aber haßte es, jung und unwissend zu sein und nicht mit fehlerhaften Ferngläsern und den Zielen von Griffins Frau fertigzuwerden.
Der Angriffsalarm heulte durch den spartanischen Korridor. Er duckte sich unter der erstbesten Tür hindurch in ein verlassenes Schlafzimmer, wo er sich unter den Stahltisch warf. Einen Augenblick später kauerte sich noch jemand unter den Tisch, und ein dritter wollte ebenfalls noch bei ihnen Schutz suchen.
„Verschwinden Sie, und suchen Sie anderswo Schutz!“ brüllte der zuerst Eingetroffene. „Ich werde mich nicht von Ihnen hinausdrängen lassen, und ich habe auch nicht die Absicht, Sie hinauszudrängen, damit ich mir später die häßlichen Überreste Ihres Blutes und Ihres Gehirns anschauen muß, wenn es zu einem Treffer kommt! Gehen Sie!“
„Verzeihung, Sir. Unverzüglich, Sir!“ jammerte der zu spät Gekommene und eilte im Heulen des Alarms weiter.
Reuben hörte nur die vielen „Sirs“ und wandte sich sofort herum, um den anderen zu betrachten. Es war May! Zweifellos war er bei einer Inspektion dieses Stockwerks überrascht worden.
„Sir“, sagte er
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