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Metropolis brennt

Metropolis brennt

Titel: Metropolis brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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May­da spür­te ih­re Bli­cke. Aber sie wand­te sich nicht um. Sie wuß­te, was sie ge­se­hen hät­te: nach­denk­li­che Au­gen, viel­leicht auch ein we­nig Angst in man­chen Bli­cken, Ab­leh­nung. Ih­re Haut be­gann zu bren­nen, und als sie auf den Rücken der lin­ken Hand blick­te, zeig­te sich dort wie­der der ro­te Aus­schlag. Sie ver­steck­te bei­de Ar­me un­ter dem Um­hang aus Wol­ken­ro­chen­le­der und eil­te wei­ter, an den Ern­te­be­rei­chen vor­bei. Die Wölb­tun­nel er­wei­ter­ten sich kurz dar­auf. Sie ver­nahm ei­ne Me­lo­die, die von Froh­sinn, aber auch Me­lan­cho­lie zeug­te. Ein Bar­de hock­te vor den Sen­si­bel­knos­pen des Heims. Sei­ne Hän­de – sie wa­ren be­son­ders zart und fein­glied­rig – be­rühr­ten die ver­schie­den­far­bi­gen Ner­ve­n­en­den des Heims, und zu­sam­men mit sei­ner lei­se flüs­tern­den Bitt­stim­me rief das ei­ne Me­lo­di­en­re­ak­ti­on her­vor. Es wa­ren kla­re, rei­ne Klän­ge, wis­pern­de Tö­ne, die durch Wölb­tun­nel, Kam­mern, Ka­ver­nen, Hal­len und Quar­tie­re glit­ten und un­ter­schied­lichs­te Re­ak­tio­nen her­vor­rie­fen. Man­che In­nen­welt­ler blie­ben ein­fach ste­hen und lausch­ten. An­de­re summ­ten lei­se im Takt der Heim­me­lo­die. Wie­der an­de­re träum­ten und über­setz­ten die Tö­ne in vi­su­el­le Traum­bil­der. Die Kin­der, die dem Bar­den lausch­ten, wa­ren wie ver­zau­bert. May­da blieb er­neut ste­hen. Sie er­in­ner­te sich deut­lich an das ers­te Mal, als sie die Heim­me­lo­die ver­nom­men hat­te. Sie er­in­ner­te sich an das Ge­fühl der Ein­heit mit dem Heim. Es war herr­lich ge­we­sen, und die ver­klär­ten Ge­sich­ter der Kin­der zeig­ten, daß es ih­nen nicht an­ders er­ging. Freund zisch­te. Sei­ne Un­ru­he nahm zu. Es war wie ein Dis­kant in ei­ner per­fek­ten Wei­se. Der Bar­de un­ter­brach sein Spiel und wand­te sich um.
    „Es tut mir leid“, sag­te May­da has­tig. „Komm, Freund. Wir wol­len nicht wei­ter stö­ren.“ Sie schritt an den am Bo­den der Wölb­kam­mer hocken­den Kin­dern ent­lang. Freund folg­te ihr. Ei­ni­ge der In­nen­welt­jun­gen wand­ten sich zu ihr um und wim­mer­ten lei­se. Man­che Ge­sich­ter wa­ren fins­ter, an­de­re über­rascht über die Stö­rung.
    „Du soll­test nicht hier­her­kom­men, May­da“, sag­te der Bar­de lei­se ta­delnd. „Dies ist ein Sen­si­bel­zen­trum, wie du weißt. Und die Jun­gen sind be­son­ders emp­find­lich.“
    „Ich ver­ste­he. Ent­schul­di­ge bit­te.“ Sie be­eil­te sich, das Me­lo­di­en­zen­trum wie­der zu ver­las­sen. „Ich weiß. Ich stö­re.“
    Der Bar­de ant­wor­te­te nicht, wand­te sich wie­der den Ner­ven­knos­pen des Heims zu und spiel­te wei­ter. Die Me­lo­die ver­klang ir­gend­wo hin­ter May­da. Sie brauch­te nicht auf ih­re Hän­de zu bli­cken, um zu wis­sen, daß sich der Rotaus­schlag ver­stärkt hat­te. Es war die Ab­leh­nung, die ihr ent­ge­gen­schlug. Manch­mal, dach­te sie, kann die Bitt­stim­me auch ein Fluch sein. Ich bin an­ders. Und viel­leicht ge­hö­re ich gar nicht hier­her. Sie dach­te an das Drau­ßen und die Ge­schich­ten, die sie vom Le­ben in der Au­ßen­welt ge­hört hat­te. Es be­ängs­tig­te sie. Aber es mach­te sie auch neu­gie­rig.
    Freund ku­schel­te sich an sie. May­da lä­chel­te un­will­kür­lich. „Ja, ich ha­be dich lieb, mein Klei­ner. Ganz be­stimmt.“ Ei­ne gan­ze Wei­le schritt sie al­lein da­hin. Nie­mand be­geg­ne­te ihr. Nie­mand folg­te ihr. Es war, als sei sie die ein­zi­ge In­nen­be­woh­ne­rin des Heims. Es war ein selt­sa­mes Ge­fühl. Und sie be­merk­te er­staunt, daß es ihr ge­fiel. Schließ­lich aber er­wei­ter­te sich der Wölb­tun­nel wie­der, und sie ge­lang­te in ei­ne wei­te­re In­nen­ka­ver­ne. Hier wa­ren die Wän­de nicht mit den lichts­pen­den­den Schim­mel­pil­zen be­deckt. Sie wa­ren trans­pa­rent. Kaum hat­te May­da die Licht­zo­ne ver­las­sen, rea­gier­ten ih­re Au­gen auf die Däm­me­rung. Nur für einen Au­gen­blick herrsch­te um sie her­um Dun­kel­heit. Dann rea­gier­ten die Nacht­sicht­fak­to­ren in ih­ren Pu­pil­len und er­hell­ten die Fins­ter­nis. Ei­ni­ge Heim­spre­cher hock­ten

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