Metropolis brennt
Mayda spürte ihre Blicke. Aber sie wandte sich nicht um. Sie wußte, was sie gesehen hätte: nachdenkliche Augen, vielleicht auch ein wenig Angst in manchen Blicken, Ablehnung. Ihre Haut begann zu brennen, und als sie auf den Rücken der linken Hand blickte, zeigte sich dort wieder der rote Ausschlag. Sie versteckte beide Arme unter dem Umhang aus Wolkenrochenleder und eilte weiter, an den Erntebereichen vorbei. Die Wölbtunnel erweiterten sich kurz darauf. Sie vernahm eine Melodie, die von Frohsinn, aber auch Melancholie zeugte. Ein Barde hockte vor den Sensibelknospen des Heims. Seine Hände – sie waren besonders zart und feingliedrig – berührten die verschiedenfarbigen Nervenenden des Heims, und zusammen mit seiner leise flüsternden Bittstimme rief das eine Melodienreaktion hervor. Es waren klare, reine Klänge, wispernde Töne, die durch Wölbtunnel, Kammern, Kavernen, Hallen und Quartiere glitten und unterschiedlichste Reaktionen hervorriefen. Manche Innenweltler blieben einfach stehen und lauschten. Andere summten leise im Takt der Heimmelodie. Wieder andere träumten und übersetzten die Töne in visuelle Traumbilder. Die Kinder, die dem Barden lauschten, waren wie verzaubert. Mayda blieb erneut stehen. Sie erinnerte sich deutlich an das erste Mal, als sie die Heimmelodie vernommen hatte. Sie erinnerte sich an das Gefühl der Einheit mit dem Heim. Es war herrlich gewesen, und die verklärten Gesichter der Kinder zeigten, daß es ihnen nicht anders erging. Freund zischte. Seine Unruhe nahm zu. Es war wie ein Diskant in einer perfekten Weise. Der Barde unterbrach sein Spiel und wandte sich um.
„Es tut mir leid“, sagte Mayda hastig. „Komm, Freund. Wir wollen nicht weiter stören.“ Sie schritt an den am Boden der Wölbkammer hockenden Kindern entlang. Freund folgte ihr. Einige der Innenweltjungen wandten sich zu ihr um und wimmerten leise. Manche Gesichter waren finster, andere überrascht über die Störung.
„Du solltest nicht hierherkommen, Mayda“, sagte der Barde leise tadelnd. „Dies ist ein Sensibelzentrum, wie du weißt. Und die Jungen sind besonders empfindlich.“
„Ich verstehe. Entschuldige bitte.“ Sie beeilte sich, das Melodienzentrum wieder zu verlassen. „Ich weiß. Ich störe.“
Der Barde antwortete nicht, wandte sich wieder den Nervenknospen des Heims zu und spielte weiter. Die Melodie verklang irgendwo hinter Mayda. Sie brauchte nicht auf ihre Hände zu blicken, um zu wissen, daß sich der Rotausschlag verstärkt hatte. Es war die Ablehnung, die ihr entgegenschlug. Manchmal, dachte sie, kann die Bittstimme auch ein Fluch sein. Ich bin anders. Und vielleicht gehöre ich gar nicht hierher. Sie dachte an das Draußen und die Geschichten, die sie vom Leben in der Außenwelt gehört hatte. Es beängstigte sie. Aber es machte sie auch neugierig.
Freund kuschelte sich an sie. Mayda lächelte unwillkürlich. „Ja, ich habe dich lieb, mein Kleiner. Ganz bestimmt.“ Eine ganze Weile schritt sie allein dahin. Niemand begegnete ihr. Niemand folgte ihr. Es war, als sei sie die einzige Innenbewohnerin des Heims. Es war ein seltsames Gefühl. Und sie bemerkte erstaunt, daß es ihr gefiel. Schließlich aber erweiterte sich der Wölbtunnel wieder, und sie gelangte in eine weitere Innenkaverne. Hier waren die Wände nicht mit den lichtspendenden Schimmelpilzen bedeckt. Sie waren transparent. Kaum hatte Mayda die Lichtzone verlassen, reagierten ihre Augen auf die Dämmerung. Nur für einen Augenblick herrschte um sie herum Dunkelheit. Dann reagierten die Nachtsichtfaktoren in ihren Pupillen und erhellten die Finsternis. Einige Heimsprecher hockten
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