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Metropolis brennt

Metropolis brennt

Titel: Metropolis brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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ex­plo­dier­ten Gra­na­ten und stürz­ten Häu­ser ein. Al­les war vol­ler Rauch­wol­ken. Es reg­ne­te Asche vom Him­mel. Die Luft war voll von dre­cki­gem Staub und mach­te das At­men zur Qual. Ich ver­lor die an­de­ren aus den Au­gen. Ich schaff­te es, Van Damm; ir­gend­wie kam ich durch. Ich floh aus Nord­rhein, ging aufs Land, führ­te ein paar Scharf­schüt­zen an der Na­se her­um, robb­te bei Nacht durch das Rhein­be­cken, ver­kroch mich in ei­ner al­ten Haus­rui­ne, leb­te von Gras und Was­ser aus ei­nem Zieh­brun­nen und stieß spä­ter auf ei­ne Zi­geu­ner­sip­pe, die ziem­lich er­staunt war, weil sie seit ei­nem Jahr­zehnt kei­nen Städ­ter mehr ge­se­hen hat­te. Sie wa­ren ver­blüfft, als sie hör­ten, daß es im Rhein­tal noch ei­ne be­wohn­te Stadt gibt, aber sie nah­men mich bei sich auf, heil­ten, klei­de­ten und füt­ter­ten mich und nah­men mich mit in ein Land, das, glau­be ich, ein­mal Nor­man­die ge­hei­ßen hat; ein Land, das von der Ka­ta­stro­phe zwar nicht ver­schont ge­blie­ben ist, aber nur we­nig in­dus­tria­li­siert und nur dünn be­sie­delt war, als die gan­ze ra­dio­ak­ti­ve Schei­ße, die sie da­mals in die Er­de ein­ge­la­gert ha­ben, wie­der nach oben kam.
    Lang­sam er­hol­te ich mich wie­der, Van Damm. Ich führ­te ein Zi­geu­ner­le­ben und ver­such­te die Ver­gan­gen­heit zu ver­ges­sen. Es wä­re mir bei­na­he auch ge­lun­gen, aber zwölf Jah­re spä­ter hol­te sie mich in Ge­stalt ei­nes schief­zah­ni­gen und schie­len­den Mäd­chens ein, das eben­falls aus Nord­rhein stamm­te. Sie sprach mit mir über un­se­re wil­den Ta­ge. Sie er­zähl­te, daß es in Nord­rhein im­mer noch Grup­pie­run­gen gä­be, die den Le­der­män­nern zu­setz­ten. Sie sag­te, es sei ei­ne neue Ge­ne­ra­ti­on her­an­ge­wach­sen.
    Ich weiß, Van Damm, es war hel­ler Wahn­sinn. Ich hät­te bes­ser bei Mut­ter Grün blei­ben und wei­ter­hin Kör­be flech­ten sol­len – aber ir­gend­wie kam ich mir plötz­lich wie ein De­ser­teur vor. Ich schlich mich ei­nes Nachts wie ein Dieb da­von, be­sorg­te mir ei­ne neue Knar­re und kehr­te schließ­lich wie­der in die Große Welt zu­rück. Ich stell­te fest, daß die Nach­ge­wach­se­nen sich mit grö­ße­rem Er­folg be­müh­ten, den Le­der­män­nern eins über ih­re kahl­ra­sier­ten Schä­del zu zie­hen. Sie wa­ren wie ein Hor­nis­sen­schwarm, der blitz­schnell zu­schlug. Sie wa­ren ganz an­ders als wir.
    Nie­mand konn­te sie er­ken­nen. Sie wa­ren ei­ne an­ony­me Macht. Sie tru­gen das Haar kurz ge­schnit­ten, hat­ten wei­ße Hem­den an und gin­gen tags­über ir­gend­wel­chen Bü­ro­jobs nach. Sie kann­ten den Ter­ror von Kin­des­bei­nen an, sie wa­ren mit ihm groß ge­wor­den. Sie ken­nen gar nichts an­de­res, des­we­gen ha­ben sie auch kei­ne Angst. Sie sind per­fek­te Kil­ler, die sich einen Sport dar­aus ma­chen, den Le­der­män­nern aus dem Nichts her­aus ei­nes über­zu­bra­ten. Und an­schlie­ßend ver­schwin­den sie dann wie­der in der An­ony­mi­tät der Bü­ro­e­ta­gen.
    Aber sie ge­fal­len mir trotz­dem nicht, Van Damm, denn sie ha­ben kei­ne Zie­le und kämp­fen für nichts. Es in­ter­es­siert sie zum Bei­spiel nicht die Boh­ne, was die Chefs der Le­der­män­ner ma­chen. Es ist ih­nen völ­lig schnup­pe. Sie wis­sen nicht mal, was das ist, was da seit zwan­zig Jah­ren wie­der in den Salz­berg­wer­ken ein­ge­la­gert wird. Die Ma­schi­ne­rie hat sich auf ma­ka­b­re Wei­se ver­selb­stän­digt, al­ter Jun­ge. Die­se jun­gen Leu­te sind kalt und herz­los und ver­ächt­lich. Sie ha­ben Re­spekt vor nichts und nie­man­dem und kön­nen sich schon gar nicht mehr vor­stel­len, wie es war, als man in der Nacht den Mond noch se­hen und auf der Ruhr Boot fah­ren konn­te. Was in­ter­es­siert sie der Mond?
    Es sind nur we­ni­ge, aber sie wer­den im­mer mehr und ge­hen ziem­lich ge­ris­sen vor. Sie sind kalt­blü­tig und lie­ben das Le­ben nicht, Van Damm; was, wie ich glau­be, da­mit zu tun hat, daß sie kei­ne Phan­ta­sie und kei­ne Träu­me mehr ha­ben und nie­mand ih­nen ge­sagt hat, was das Le­ben ei­gent­lich ist.
    Der Sinn des Le­bens ist das Le­ben selbst, mei­ne ich, aber wenn das, was heut­zu­ta­ge

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