Metropolis brennt
einen ganz gewaltigen Drall nach unten geben. Wenn’s keine Show gibt, schließ ich mich Gorch an und kauf auch kein Deo. Nicht eine einzige Flasche.“
Gorch ist natürlich ebenfalls sauer. „Man müßte denen ’nen Brief schreiben, ’nen gesalzenen Beschwerdebrief, damit denen mal glasklar wird, was für ’ne himmelschreiende Schweinerei die sich da leisten. Vielleicht is das Thermo auch getürkt. Vielleicht wollen die der Maid nur kein Striphonorar auszahlen und halten künstlich die Temperatur niedrig. Und, Mansch, morgen wird’s trotzdem tierisch heiß. Ich trau denen alles zu. Alles. Selbst so was.“
Die Wetterkarte wird ausgeblendet und, Gottfried ‚Jahwe’ Muhn und S. S. Winter lächeln jovial und mit blitzblanken Plastikgebissen die Millionen TV-Narren an. Es ist ein offenes Geheimnis, daß die meisten Gebührenzahler und alle Schwarzseher seit Jahren nur auf eine Panne warten; darauf, daß das Studio in die Luft gejagt wird oder Muhn die Maßhose verliert und seinen halbtransparenten Minislip entblößt. Jedoch teutonische Gründlichkeit und schlechte Erfahrungen mit sensationslüsternen Zuschauern haben einen derartigen Skandal bislang verhindert. Ein Zustand, der – wie Tod nicht nur einmal prophezeite – einfach unhaltbar ist und der früher oder später weitreichende gesellschaftliche Auswirkungen haben wird.
Tod greift während der kurzen Pause, die im Besitz der Werbeleute ist und mit Spots für Hundekuchen, Kachelbodenpflegemittel und biologisch-dynamische Seife ausgefüllt wird, hinter sich in das Bierfaß und tastet nach dem Tabaksbeutel. Vorsichtig und konzentriert dreht er eine Zigarette und achtet sorgsam darauf, daß nicht ein einziger Krümel verlorengeht. Seitdem ständig mit einem erneuten Auftauchen der Marodeure zu rechnen ist und die Robotkopter über den Bergen kreisen, gelangen keine frischen Tabaklieferungen ins Tal. Selbst die Dealer leben nur noch von ihren geheimen Notvorräten.
Die fertige Zigarette setzt Tod an der Flamme des Gaskochers in Brand. Auf dem Bildschirm weicht das grün und blau karierte Seifenstück, mit dem sich sogar die Jungs auf Io den Meteorstaub aus den Arschfalten waschen, dem gütigen Gesicht der netten Oma von nebenan, die mit dünner Greisenstimme die Vorteile der Zeitschrift Schöner sterben aufzählt.
Pike, zusammengekauert in ihrem Instantbungalow aus Obstkisten liegend, über sich die Sterne, die kalt wie der Dezemberwind in einem Elberfelder Hinterhof und selbst für die tapferen Burschen von der Raumfahrtbehörde unerreichbar sind, Pike hat noch nichts für das Sterben übrig. Und das nicht nur, weil ihre derzeitige finanzielle Situation nicht einmal das Begräbnis ihres mutierten Goldhamsters aus glücklichen Kindertagen zulassen würde. Pike ist lebenshungrig, und die entspannte Atmosphäre in der Faßsiedlung am tiefsten Punkt des Tals bestärkt sie noch in dieser Haltung.
Es gibt viele, die anders denken. Gerüchten zufolge grassiert der Selbstmord hinter der Mauer an den Hängen. Die feinen Pinkel sollen wie die Fliegen von eigener Hand sterben und anschließend sorgfältig für die Organbanken ausgeweidet werden. Andere Gerüchte sprechen von einem neuen modischen Trend, der Emigration nach Australien.
Für den nüchternen Betrachter der weltpolitischen Situation eine unhaltbare Annahme. Schließlich ist Neuseeland bereits in der Hand der Chinesen, und nach den letzten Asiaten-Pogromen in Perth und Sydney ist die Lage gespannt.
Pike überrascht das nicht.
Das entsetzliche Drama auf Io, denkt sie, muß sich ja irgendwie bemerkbar machen.
Etwas weiter entfernt,
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