Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Metropolis brennt

Metropolis brennt

Titel: Metropolis brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
Vom Netzwerk:
echt, so wun­der­schön echt. Ich ha­be nicht mehr an ih­rer Rea­li­tät ge­zwei­felt.“
    „Aber jetzt – jetzt sind sie ab­ge­schal­tet. Des­halb …“ Sie frös­tel­te, blick­te sich scheu um und rieb mit den Hän­den über die Ober­ar­me. Der Dau­nen­stoff der Win­ter­ja­cke ra­schel­te lei­se. „Es ist un­heim­lich. Die­ser lee­re, to­te Wald. Ver­stehst du, was ich mei­ne?“
    Er nick­te. „Sie sind ab­ge­schal­tet, weil heu­te kein of­fi­zi­el­ler Be­suchs­tag ist. Wir sind Ein­dring­lin­ge, Mir­ja. Wir ha­ben kein Recht, hier zu sein. Viel­leicht ist der to­te Wald die Stra­fe da­für, ich weiß nicht. Ich emp­fin­de es nicht ein­mal als Stra­fe. Wir se­hen den Wald. Ich fin­de die Stil­le und die Lee­re schön. Ich war in mei­nem gan­zen Le­ben noch nie län­ger als ei­ne Stun­de rich­tig al­lein.“ Er lä­chel­te schmal, dann wink­te er ab. „Ich be­schwe­re mich nicht.“
    Einen Au­gen­blick lang hat­te er das Ge­fühl, als wol­le sie ver­su­chen, ihn trotz­dem zu trös­ten. Die Slums der Cad-Fre­aks … Sie kann­te sie, sie wuß­te, was für Elendss­ze­nen sich dort ab­spiel­ten, denn nach­dem sie beim SAf­CF ge­kün­digt hat­te, hat­te sie sich den Street­wor­kern an­ge­schlos­sen, die vor al­lem in den Slums der Stadt das größ­te Elend mil­dern hal­fen. Sie küm­mer­ten sich um die Ob­dach­lo­sen, die Kran­ken, die Nut­ten, Säu­fer, so­gar um die klei­nen Ver­bre­cher, um Kran­ke und Ster­ben­de … Es war ein aus­sichts­lo­ser Kampf. Aber die Street­wor­ker ga­ben ihn nicht auf. Und Mir­ja ge­hör­te zu ih­nen, kämpf­te mit Leib und See­le mit ih­nen, war seit­her ge­äch­tet, stand auf der schwar­zen Lis­te der un­an­ge­nehm auf­ge­fal­le­nen Per­so­nen der Stadt. Die Stree­ters paß­ten nicht mehr in das Ge­samt­bild der Stadt, al­les war an­ders ge­wor­den, seit der Ge­set­ze­s­ent­wurf zur Al­lein­ver­ant­wort­lich­keit der Fre­aks mit großer Mehr­heit an­ge­nom­men wor­den war. Ge­nau­ge­nom­men war dies der Be­ginn der Le­ga­li­sie­rung ei­ner neu­en End­lö­sung. Die Slums und da­mit das Aus­ge­sto­ßen­sein aus der Ge­sell­schaft, den Ma­kel der Aus­sät­zi­gen, den Fre­aks, die Stadt den Nor­ma­len. Vharn be­nei­de­te sie nicht dar­um. Nicht sehr.
    Mir­ja sag­te nichts, das kur­ze Auf­fla­ckern ih­rer Ge­füh­le leg­te sich, erstarb zu ei­nem be­stän­di­gen Glim­men der Sym­pa­thie, nicht des Mit­leids.
    So war es auch da­mals ge­we­sen, als sie sich das ers­te Mal be­geg­net wa­ren.
    Zwei Wo­chen liegt das erst zu­rück, dach­te er, halb ver­wun­dert. Zwei Wo­chen. Sie hat­ten sich nicht oft ge­se­hen. Drei­mal. Sie nahm ih­re Ar­beit sehr ernst, und nach­dem sie ihm den Pro­grav sei­nes Kör­per­sta­bi­li­sie­rungs-An­zugs re­pa­riert hat­te, war er nicht mehr hilfs­be­dürf­tig. Mehr noch: Er woll­te kei­ne Hil­fe. Er konn­te sich selbst hel­fen. Er muß­te sich selbst hel­fen, weil …
    Nein, nicht wie­der die­se Ge­dan­ken. Nicht jetzt.
    Schwei­gend gin­gen sie ne­ben­ein­an­der her. Er ließ sei­ne Bli­cke schwei­fen, nahm die Um­ge­bung in je­der Ein­zel­heit war, ver­such­te, die Re­tu­schie­rung durch die Pil­len weg­zu­den­ken, und zeit­wei­se ge­lang ihm dies so­gar.
    Win­ter in der Stadt. Win­ter auch im Wald. Sie hat­ten ihn früh her­ein­bre­chen las­sen in die­sem Jahr, im Mai, im Mo­nat der Lie­ben­den, wie es so schön hieß. Viel­leicht ein Gag. Die Wer­be­ma­na­ger hat­ten je­den­falls um­ge­hend auf die wei­ße Pracht rea­giert; sie hat­ten den Gag vor­her­ge­se­hen, wie im­mer, und wa­ren vor­be­rei­tet ge­we­sen – es war nor­mal. Gleich­zei­tig hat­ten die Her­stel­ler rea­giert und die Kauf­häu­ser der Stadt mit ei­ner Flut von Weih­nachts­pro­duk­ten über­schwemmt.
    Schein­bar all­ge­wal­tig hat­te das Ba­stard-Weiß sei­ne sam­ti­gen Schwin­gen über das Land aus­ge­brei­tet: Der Wald trug sein neu­es Kleid, prä­sen­tier­te sich ro­man­tisch, im mo­der­nen Schick der ver­zau­bern­den Weiß-Schat­tie­run­gen. Vharn zwang sich, nicht an die Stadt zu den­ken, nicht an die Be­ton­käs­ten­häu­ser, nicht an die we­ni­gen Bäu­me, die in großen Be­ton­va­sen ei­ni­ge

Weitere Kostenlose Bücher