Metropolis brennt
gleichmäßig, beinahe monoton, aber auch sie beruhigend. Nein, er war nicht allein. Er war nicht allein.
Er brauchte den Impuls nicht zu geben, er brauchte den Kopf nicht drehen zu lassen, um sie anzusehen, er wußte: Sie ist da, sie ist an meiner Seite, sie geht neben mir, und sie empfindet kein Mitleid, sondern Sympathie. Echte Sympathie.
Seine Muskeln lockerten sich, sein verkrampfter Körper schmerzte, prickelnde Flutwellen, die ihn wie die Ausläufer karmesinroter Lava durchzuckten. Sein Atem kam plötzlich röchelnd, er mußte husten, ein körperschüttelnder Anfall, der ihr einen erschrockenen, leisen Schrei entriß.
„Vharn!“
„Nichts, es ist nichts“, erwiderte er hastig.
Er gab den Impuls, sein Kopf wurde von der Hartplastumklammerung bewegt, sein Gesicht wandte sich ihr zu, und er sah zu ihr hinunter, gab seinem Gesicht einen Ausdruck milden Lächelns, weil er nicht wollte, daß sie sich Sorgen machte.
In das silberhelle Klingen mischte sich ein dumpfer Ton, ein düsterrotes Summen. Er wollte ihn nicht hören. Ein Wangenmuskel zuckte. Aber er hielt ihrem forschenden Blick stand und lächelte weiterhin. „Die Krankenschwester geht mit dir durch“, spottete er. „Ich habe mich nur verschluckt. Vor lauter Ehrfurcht“, fugte er hinzu.
„Du hättest dir etwas brechen können.“
„Nicht durch diesen kleinen Husten. Da muß schon ein schwererer kommen.“
Sie sah ihn noch immer zweifelnd an. „Du magst es nicht, wenn man sich um dich sorgt.“
„Nein.“
„Auch wenn man es tut, weil man dich gerne mag?“
„Dann erst recht nicht.“
Sie hob die rechte Hand, streichelte ihm sanft über die Wange und ging dann weiter. Er folgte ihr.
„Man sieht den Himmel nicht mehr“, sagte sie nach einer Weile. „Kein Blaurot mehr hinter den Schneeästen.“ Stille. Atemholen. Ein leiser Seufzer. „Irgendwie kommt man sich verloren vor. Der einsamste Mensch auf dieser Welt.“
„Und? Das gefällt dir nicht?“ Er konnte den lauernden, bissigbösartigen Unterton in seiner Stimme nicht verhindern, fühlte sich ertappt, wandte sein Gesicht wieder geradeaus. „Wir sind jetzt im alten Bezirk. Er soll abgeholzt werden, stand gestern in den Zeitungen. Obwohl hier noch 58% der Bäume gesund sind. Sie wollen etwas Neues ausprobieren, und weil sie dafür Platz brauchen und weil sie die Chemie-Werke oder die Stadtautobahn nebenan nicht gut abreißen können, muß eben der alte Bezirk des Waldes dran glauben.“ Er lachte hart und krächzend und verächtlich. „Künstliche Bäume heißt der Zauber-Slogan. Bäume, die dem Säureregen trotzen. Irgendwie paßt es ja. Ich meine, wenn die Tiere schon künstlich sind, weshalb sollten dann nicht …“
„Zyniker. Man muß etwas dagegen tun … Ich habe es auch gelesen. Und andere ebenfalls. Damit kommen sie nicht durch, Vharn, der Wald ist wichtig. Sie dürfen nicht durchkommen. Sie zerstören einen Teil von einem der letzten Wald-Reservate, eine Erholungsstätte für die Arbeitenden …“
„Und denken daran, ihn durch Kunstbäume zu ersetzen! Für weiß Gott wie viele Millionen Kunstbäume herstellen zu lassen, wo es doch viel einfacher wäre, das Übel endlich an der Wurzel zu bekämpfen. Die Umweltverschmutzung zu bekämpfen.“
„Früher haben sie gesagt, der Wald sei durch den Energiedom geschützt, man brauche sich keine Sorgen mehr zu machen.“
„Dabei waren dann allerdings die Menschen ausgeklammert. Schizophren. Ich plädiere dafür, Herr Minister: jedem seinen persönlichen Schutzschirm.“ Vharn lachte wieder.
Sie schwieg, schien über seine und ihre letzten Worte nachzudenken. „Ich war, glaube ich, noch nie richtig einsam, aber wenn doch, dann hätte ich das als sehr schlimm empfunden. Ich weiß nicht. Ich habe mir noch nicht allzu viele
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