Metropolis brennt
…“ Sie brach ab, nahm dann einen neuen Anlauf. „Wenn ihr eure Progravs nicht mehr habt, dann …“
„Dann sind wir ziemlich tot.“ Er schnippte mit Daumen und Zeigefinger und wußte, daß er sich jetzt selbstsicherer gab als er in Wirklichkeit war.
„Also bist du inzwischen auch ein kleiner Rebell“, stellte sie trocken fest.
„Ein sanfter, höchstens. Und kein sehr starker.“
Sie lächelte. „Jetzt untertreibst du aber.“ Sie schüttelte den Kopf. „Stell dich nicht schwächer hin, als du bist. Wenn du deinen und anderer Leute Tod derart kalkuliert herausforderst, dann …“
Er widersprach: „Ich fordere ihn ja nicht heraus, weil ich noch immer davon überzeugt bin, daß sie nicht dahinterkommen werden. Gut, wahrscheinlich schnappen sie uns, aber sie werden nicht dahinterkommen, wie wir hier hereingekommen sind. Sie unterschätzen mich – uns alle. Du weißt ja: Nur in einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist.“
„Das ist ihre verdammte Propaganda.“
„Eben.“ Er hielt ihrem Blick stand.
„Damals, als ich dir deinen Prograv repariert habe, hast du nicht verstanden, was ich gemeint habe, nicht wahr?“
„Die Sache mit den Demonstrationen und den Renten?“
Sie nickte stumm.
„Es hat sich ziemlich radikal angehört, um so mehr, weil du es gesagt hast – eine Frau. Aber ich habe darüber nachgedacht. Ich glaube, ich habe es dann auch verstanden. Es imponiert mir – gerade, weil es eine Frau gesagt hat. Ich will nicht mehr nur herumsitzen und Gedichte schreiben. Mit Gedichten bewirkt man nicht sehr viel – nicht in einer solchen Gesellschaft. Sagen wir so: Ich habe eingesehen, daß ich schon sehr viel Zeit verloren habe. Man darf diese Zustände nicht als gegeben hinnehmen. Du warst der Auslöser.“
„Jetzt bist du also ungeduldig?“
„Das ist doch ein Schritt vorwärts, oder?“
„Nicht unbedingt“, sagte sie langsam. „Viele von den Leuten, die es so unheimlich eilig haben, Veränderungen herbeizuführen, geben am schnellsten auf, wenn die Sache nicht auf Anhieb klappt. Es kommt auf den langen Atem an.“
„Ich weiß nicht, ob ich diesen langen Atem habe“, gestand er ein. „Ich will, daß es anders wird … menschlicher.“
„Sind wir deshalb hier? Ich frage, weil wir darüber eigentlich nie gesprochen haben.“
„Die Idee, in den Stadtwald einzudringen, die hatte ich schon, bevor wir uns begegnet sind. Es war eine fixe Idee – ich wollte einmal in meinem Leben den Wald sehen, richtig sehen, ihn nicht nur in den Sensi-Programmen vorgegaukelt bekommen. Glaub mir, ich habe mich danach gesehnt, hier Spazierengehen zu dürfen, diese Ruhe zu erleben … Es hat lange gedauert, bis ich es gewagt habe. Wie gesagt, du warst der Auslöser. Und jetzt … jetzt kann ich es gar nicht richtig verarbeiten. Verrückt. Es ist so schön, aber auch so gespenstisch. Ich weiß nicht. Ich muß doch darüber nachdenken.
Ich wollte etwas ganz und gar Verrücktes anstellen. Dann ist die Neugier dazugekommen: Kann ich es schaffen? Komme ich in den Wald hinein? Schließlich wurde es zu einer Herausforderung. Ich bin ein Freak, Mirja.
Alles zusammen – Sehnsucht nach dem Wald, Neugier, Herausforderung –, deshalb sind wir hier. Ich glaube, ich habe mir das bisher selbst noch nicht eingestehen wollen oder können. Ich habe mich gefreut, als du gesagt hast, du möchtest mitkommen. Ich habe mich gefreut, weil du keine Fragen gestellt hast, obwohl du genau gewußt hast, wie gefährlich es werden würde.“
Mirja sagte: „Aber mittlerweile siehst du ein, daß es nicht mehr nur um uns, beide geht.“
Er nickte ernst. „Ich versuche, mir die Schlagzeilen vorzustellen.
BIZARRES PAAR – KRÜPPEL UND STREETERIN – DRINGT IN DEN STADTWALD EIN! Für die einen wäre es ein Eulenspiegel-Streich, für die anderen eine
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