Metropolis brennt
hinüber. Die beiden Kontakter nickten zufrieden.
„Es kommen bessere Zeiten“, sagten sie zum Abschied.
„Es kommen bessere Zeiten“, entgegnete Tscherlan, wandte sich um und schritt davon. Mayda blickte den beiden Kontaktern nach, die in Richtung Innenwelt davonschritten. Dies war ein Bruch in ihrem Leben. Sie mußte Abschied nehmen von der Innenwelt. Sie würde sie nie wiedersehen.
„Du brauchst keine Angst zu haben“, sagte Tscherlan sanft. Er lachte, während sie durch den Wölbtunnel dem Licht des Draußen entgegenschritten. „Du bist wirklich anders als alle anderen Innenweltler, die ich jemals zu Gesicht bekommen habe. Und ich kenne die Innenweltler. Sie sind ein bißchen borniert, ein bißchen dickschädlig, ein bißchen stur. Sie fürchten sich vor dem Neuen. Ihr Leben“, er vollführte eine weit ausladende Geste, „ist ein bißchen zu gut.“ Wieder das Lachen. Mayda faßte allmählich Zutrauen zu Tscherlan. Er war noch immer skeptisch. Aber er lehnte nicht ab. „Wir von Außenwelt … nun, du wirst es selbst sehen.“ Es wurde immer heller. Gleichzeitig damit intensivierte sich der scharfe, beißende Geruch. Das Kratzen in Maydas Kehle verstärkte sich.
„Der Husten “, sagte Tscherlan nachdenklich. „Ich hoffe, du bist für das Leben in Außenwelt geeignet. Wenn nicht …“ Er deutete auf den Endpunkt des Wölbtunnels, nur einige Meter vor ihnen. „Wenn ich die Dichtung des Heims löse, wirst du Außenluft atmen. Weißt du, die Draußenluft ist anders als das, was du bisher geatmet hast. Du wirst einen kurzen Schmerz spüren. Und dann …“ Er blickte sie an. Sie war ein wenig blaß. „Na, am besten, wir probieren es einfach aus. Du hast ja keine große Wahl, nicht wahr?“
Sie schüttelte stumm den Kopf. Tscherlan trat an die Faserdichtung, berührte eine Nervenknospe … und das hautlappenähnliche Gebilde faltete sich zusammen.
May da hielt den Atem an. Kälte wehte ihr entgegen. Mit tausend Nadeln stach sie in ihre Haut. Sie war wie eine Stimme aus Eis, die ihr sagte: Bis hierher und nicht einen Schritt weiter.
Tscherlan trat hinaus in die Außenwelt, stemmte beide Hände in die Hüften und sagte: „Atme, Innenweltlerin. Du mußt atmen.“
Maydas Lungen dehnten sich aus. Feuer schien in ihrem Innern zu explodieren. Sie stöhnte auf und sank auf die Knie. Die Kälte war verschwunden und hatte heißer Glut Platz gemacht, die sich träge durch ihre Adern und Nerven ergoß. Ihre Lungen zogen sich wieder zusammen, dehnten sich erneut aus.
Und plötzlich war der Schmerz fort. Nur die Kälte blieb. Aber auch sie schien nicht mehr so intensiv zu sein wie zuvor. Tscherlan zog sie wieder auf die Beine. „Jetzt hat sich dein Körper umgestellt“, lächelte er. „Du atmest Luft, die ein wirklicher Innenweltler nicht verträgt. Jetzt bist du eine Außenweltlerin.“
Mayda schwankte. Der Himmel … er schwebte nicht einige Meter über ihrem Kopf, er war … weit Und er hatte kein Ende.
„Du wirst dich bald daran gewöhnt haben“, sagte Tscherlan. Er führte sie zu einem nahen Depot und reichte ihr einen dicken Mantel aus Wolkenrochenfell. Er schenkte Wärme und verdrängte die Kälte. Mayda hatte nicht viel Zeit, die neue Welt zu betrachten. Sie hatten sich kaum einige Dutzend Meter vom Eingang zu den Grenz- und Kontaktbereichen der Innenwelt entfernt, als eine andere in einen Pelz gehüllte Gestalt über Borken in der Außenhaut des Heims in ihre Richtung stürzte.
„Tscherlan! Tscherlan!“
„Ho, was willst du?“
Der Mann winkte schon aus der Ferne. „Dein Bruder, rasch. Dein Bruder …!“
Tscherlan erstarrte für einen Augenblick, dann eilte er weiter. Mayda blickte sich immer wieder um. Sie kannte alles aus Erzählungen, die in der Innenwelt kursierten, aber es mit eigenen Augen zu sehen, war eine völlig andere Sache. Der Himmel … die Schwebewolken … wie Watte, von einem Riesen ausgestreut. Manchmal bewegten sich schwarze Punkte weit über dem Heim. Vielleicht Himmelsrochen. Oder Fänger und Jäger bei der Arbeit. Ein Borkeneinschnitt beherbergte das Außenweltdorf: von den Innenweltlern gesteuerte Warmkuben, wie Geschwüre in der Haut eines Riesen. Mayda wußte, daß es den Innenwelt-Heimsprechern große Mühe kostete, das Heim zum Gesteuertwachstum solcher Warmkuben anzuregen. Der Preis für einen Warmkubus war dementsprechend hoch: viel, sehr viel Rochenfleisch und andere Dinge, die man im Innern benötigte. Sie begegneten jetzt anderen Außenweltlern.
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