Metropolis brennt
„Wohlmöglich infizierst du ihre Leibesfrucht mit deinen Malen !“ Hohldorne der Symbionten zitterten Maydas Haut entgegen und bohrten sich schmerzlos in ihre Poren. Mayda erstarrte. Diese Strafmaßnahme war brutal und unnötig hart. Und sie verfehlte ihren Zweck. Sie verursachte ganz etwas anderes. Mayda vernahm die Stimme des Heims ebenso wie die Gedanken der Hebamme. Ersteres war ein lauer, sympathischer Hauch, das andere heftige Ablehnung, Abscheu und Angst. Ihre Haut flammte rot auf. Heftigausschlag. Etwas in ihr begriff, daß es bald soweit war – was immer das auch bedeuten mochte –, und das machte ihr Angst. Sie wehrte sich gegen die Ablehnungsgedanken der Hebamme. Die Gischt ihres mentalen Ozeans schäumte auf. Sturmböen fegten ihre furchtsamen Gedanken beiseite. Ein Ausbruch. Etwas in ihr verstand: Schwierigkeiten und Hindernisse müssen unter allen Umständen beseitigt werden. Es ist zu wichtig … zu wichtig …
Schwer atmend kam sie wieder zu sich. Sie blickte in die entsetzten Gesichter zweier Probitter. Sie sah zur Seite. Der Zierlichmann und ihre Wirklichmutter waren tot. Gebrochene Augen starrten blicklos an die Wölbdecke der Gebärkammer. Alles in Mayda war leer und stumm. Sie verabscheute sich selbst. Und sie begriff, daß sie selbst die Entscheidung getroffen hatte.
„Du bist eine Gefahr für uns“, sagte einer der beiden Probitter. „Ein Störfaktor, der den Zusammenhalt des Lebens in der Innenwelt gefährdet. Du hast zwei Menschen getötet. Ja, wir wissen, daß du es nicht gewollt hast.“ Zwei Arme zogen sie in die Höhe. Mayda weinte. Stumm und lautlos. „Vielleicht wird es wieder geschehen. Du mußt uns verlassen. Sofort.“
Zwei Kontakter begleiteten sie bis zur Grenze der Innenwelt. Mayda hatte mehrmals versucht, mit ihnen zu sprechen. Doch sie schwiegen. Nur Freund zischte dann und wann: traurig, melancholisch, niedergeschlagen. Die Kontakter ließen sich nichts anmerken, doch Mayda spürte ihre ablehnenden und empörten Gedanken. Sie fürchtete sich vor dem Draußen. Doch gleichzeitig war sie auch neugierig. Eine andere Welt wartete auf sie. Vielleicht konnte sie in ihr einen Platz finden.
Sie waren mehrere Stunden unterwegs. Schließlich – schon seit langem war ihnen kein Innenweltler mehr begegnet – wurde das Licht heller. Mayda blickte sich erstaunt um. Es waren nicht die Schimmelpilze an den Wänden des Wölbtunnels. Das Licht mußte von Außenwelt stammen.
„Sind wir bald da?“ fragte sie. Keine Antwort. Stumm bewegten sich die beiden Kontakter. Manchmal hustete einer von ihnen. Die Außenporen des Heims waren nicht fern. Und hier, nahe den Kontaktregionen, sickerte dann und wann Luft vom Draußen ins Innenheim. Auch Mayda spürte manchmal ein Kratzen in der Kehle.
Schließlich hielten die beiden Kontakter inne.
„Verabschiede dich jetzt von deinem Freund“, sagte einer von ihnen. Die Laufschnecke zischte aufgeregt, als hätte sie die Worte verstanden. „Er ist nicht fähig, draußen zu leben.“
Sie beugte sich nieder und streichelte Freund zum letztenmal. „Und ich?“ fragte sie leise. „Bin ich dazu in der Lage?“
„Du bist eine Gefahr. Du bist ein Störfaktor.“
„Ich weiß …“
Einer der Kontakter hob ein Hörn aus Rochenknochen an die Lippen. Ein dumpfer, weit hallender Laut erklang. Danach … wieder Stille. Kurz darauf ertönte weiter voraus ein weiteres Hörn.
„Wir haben Glück“, sagte einer der Kontakter. „Wir brauchen nicht zu warten. Ein Außenweltler ist am Kontaktpunkt.“
Sie setzten sich wieder in Bewegung. Ein Arm hielt Mayda fest. Sie hatte plötzlich Angst und sträubte sich. Doch die Kontakter zogen sie mit sich. Es gab kein Zurück mehr. Und als ob sie das erst jetzt begreifen würde, begann sie leise zu schluchzen. Freund blieb zurück, leise und traurig zischend. Eine Bittstimme ertönte, und ein Hautlappentor des Heims bildete sich zurück und gab den Weg frei. Ein Schwall kühler Luft blies ihnen entgegen. Mayda erschauerte. Kälte war ein fremder Faktor in ihrer Welt. Das Kratzen in ihrer Kehle verstärkte sich.
„Ho“, sagten die Kontakter.
„Ho“, antwortete der Außenweltler und hob die rechte Hand zum Gruß. Mayda staunte. Es war einer der seltsamsten Männer, den sie je gesehen hatte: hochgewachsen – er überragte sie um mindestens drei Kopfgrößen –, stämmig, breit in den Schultern, nicht so zierlich wie die Männer und Frauen der Innenwelt. Haare wuchsen nicht nur auf seinem Kopf,
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