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Metropolis brennt

Metropolis brennt

Titel: Metropolis brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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ab. Alle. Oder fast alle. Sie streichelte Freund und beeilte sich, die Behandlungsbereiche des Heims zu verlassen. Ernter und Sammler kamen ihnen entgegen, die Sammelbeutel gefüllt mit Proteinschimmel. Dunst aus den Zubereitungszonen wehte ihr entgegen. Die Zubereiter waren damit beschäftigt, die Proteine zu verarbeiten. Vielleicht zerlegten sie auch das Wild, das ihnen von den Außenweltlern geliefert worden war, im Austausch gegen gekalbte Heimtöchter, die das Leben im Draußen erleichterten. Schließlich erreichte Mayda die Kalbungsbereiche selbst. Es waren große Wölbhallen, und die Domestizierer lösten mit ihren Bittstimmen große, hautlappenähnliche Gebilde von den Heimwänden. Es war eine schwierige Prozedur, und viel Erfahrung war dazu erforderlich, aus diesen Rohkalbungen einsatzfähige Heimtöchter werden zu lassen. Mayda sah kurz zu. Sie erkannte mehrere Laufschnecken, Freunde, die das Aufwachsen anderer Innenweltjungen als Intim- und Ziehpartner begleiten mochten. Sie sah die Rudimentärkörper von Rochenfanghelfern und anderen Zweckgeschöpfen. Einige Ganzjunge spielten mit zwei gerade körperfertigen Laufschnecken. Zwei Innenwelterwachsene, die sie begleiteten, lachten.
    „Komm, Freund. Wahrscheinlich stören wir auch hier.“ Sie verließen die Kalbungszonen. Und kurz darauf erreichten sie die den Mehrmüttern vorbehaltenen Regionen des Heims. Hier war der Lichtschimmer der Schimmelpilze weich und sanft. Barden spielten auf transportablen Nervenknospen. Die Klänge hallten wie Winde aus Zärtlichkeit durch die Wölbkorridore. Mayda hatte ihre Wirkliche Mutter rasch gefunden. Sie war uralt, vielleicht neunzig Zyklen, vielleicht mehr. Ihr Körper war nun aufgequollen. Sicher konnte sie nur noch wenige Male gebären, aber sie hatte der Innen- und Außenwelt viele Male neues Leben geschenkt. Sie war eine der besten Mehrmütter des Heims, und man würde ihr auch lange nach ihrem Tod ein ehrendes Andenken bewahren.
    Sie war blind.
    „Ich bin es, Mayda. Kannst du mich hören, Wirklichmutter?“
    „Ah“, sagte sie. „Mayda. Ja, ich erinnere mich. O ja, rot wie Rubin. Wie alt bist du jetzt?“
    „Fast elf Zyklen. Bald wird die Entscheidung fallen.“ Die Hände der Wirklichmutter strichen zart und sanft über den Körper Maydas, glitten unter den Kilt und prüften die Statur.
    „Du bist zart wie eine Innenweltlerin, vielleicht noch zarter und zerbrechlicher. Du bist für ein Leben im Draußen nicht geschaffen. Deine Heimat ist hier, Tochter. Und wer weiß … vielleicht wirst du auch einmal eine Mehrmutter wie ich. Ich würde mich freuen.“
    Ich auch, dachte Mayda. Dann aber fiel es ihr wieder ein: gelbe Augen, gelbes Haar, periodischer Ausschlag, der fehlende kleine Finger an ihrer linken Hand. Und die Ausbrüche. Nein, sie konnte niemals zu einer Mehrmutter werden. Die Angst der Potentiellväter, ähnliche Kinder zu zeugen, war zu groß. Sie würde einsam bleiben. Einsamer vielleicht noch, als sie es ohnehin schon war. Ihre Wirklichmutter war die einzige, die ihr keine Ablehnung entgegenbrachte. Aber sie war auch blind. Sie konnte die Male nicht sehen.
    „Warum bist du gekommen?“ fragte die Mehrmutter leise.
    Sie brauchte einen Rat. Sie mußte sich entscheiden, bald. Entweder die Innen- oder die Außenwelt.
    „Du bist meine Wirklichmutter. Du hast mir das Leben gegeben.
    Aber du hast mir damit auch eine schwere Last auferlegt.“ Sie entschloß sich dazu, der Mehrmutter zu sagen, wie ihre Tochter war. Ihre Wirklichmutter lauschte den Worten May das, ruhig, ohne ein Anzeichen von Ablehnung. Dann ertönten hinter Mayda eilige Schritte. Sie drehte sich um. Eine Hebamme. Und das Gesicht des Zierlichmannes war wütend, empört und entschlossen.
    „Wie kannst du es wagen?“ brachte er mühsam beherrscht hervor, packte die Schulter und riß sie von der Mehrmutter fort. Die Heimsymbionten, die an den Hüften der Hebamme klebten, hatten sich rot verfärbt, Zeichen seiner Erregung. Eine Hebamme war nie der Bittstimme mächtig. Aber mit Hilfe der Heimsymbionten konnte er sich mit dem Stoffwechselsystem einer Mehrmutter verbinden und so die rudimentäre Gedankenstimme der Leibesfrucht vernehmen und feststellen, ob mit dem noch nicht Geborenen etwas nicht in Ordnung war. „Eine Mehrmutter zu belästigen, ahrja !“
    „Es ist meine Wirkliche Mutter!“ rief Mayda. Sie wehrte sich. Die Heimsymbionten verstärkten die Kraft des Zierlichmannes.
    „Deine Wirklichmutter, ha!“ machte die Hebamme.

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