Mettwurst ist kein Smoothie
Königin Amira macht, wenn sie den Feuerball wirft!»
Ich verdrehte die Augen und wollte schon rufen: «Junge, wir sind alle über 30 , wir scheißen auf deinen Schlüsselanhänger!»
Aber da schnellten schon mindestens 300 bleiche Daddler-Arme in die Luft. Der Moderator ging zu einem der Fans, einem Hardcore-Gamer mit Fusselbart und Strohhut, und hielt ihm das Mikro vor den Mund. Die Menge verstummte, alle Blicke richteten sich auf den Fusselbart. Der holte tief Luft, beschrieb mit seiner Hand eine werfende Bewegung und sagte dann:
«Sie macht: ‹Gssssscccchhhhht›!»
Alle johlten anerkennend auf und applaudierten, während der Moderator dem Fusselbart seinen wohlverdienten Schlüsselanhänger überreichte.
Ich war fassungslos.
Als dann neben mir ein ebenfalls mindestens 30 Jahre alter Fan zu seiner Begleitung sagte: «Ah, richtig: ‹Gsssssccccccht!› Ich dachte erst: ‹Wrrruuuuufffff!›, aber das ist ja der Eisblitz!», da wusste ich: Es ist Zeit zu gehen.
Auf halbem Weg nach Hause klingelte mein Handy. Mein Vater war dran. «Junge, wo bist du?»
«Ich komme gerade von der Gamescom.»
«Ah, gutes Stichwort: Sag mal, wie kann ich eigentlich Solitär und Minesweeper von der Festplatte unseres Computers löschen?»
«Ach, Papa», seufzte ich. «Meinste nicht, dass es Zeit wird, eure Haltung gegenüber Computerspielen mal zu überdenken? Wenn sie euch nicht gefallen, dann spielt sie halt nicht. Aber ihr müsst sie doch nicht gleich löschen!»
«Junge, das Problem ist ein ganz anderes! Seit wir die Dinger auf dem Rechner entdeckt haben, sitzen deine Mutter und ich nur noch vor dem Kasten, spielen Solitär und streiten uns, weil keiner den anderen ranlassen will! Also: Wie löscht man das?»
Ich wusste es: Man ist nie zu alt.
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Tröööt … Sprotz … Pffft!
Köln macht es einem nicht leicht, nach einem Urlaub gerne nach Hause zu kommen. Ich finde zwar, die Stadt hat einen sensationellen Auftritt, wenn man über die Deutzer Brücke fährt, den Dom sieht, Groß St. Martin und vielleicht noch die beleuchtete Hohenzollernbrücke. Das Problem beginnt, wenn man weiterfährt. Denn dann wird aus dem pompösen Fanfaren-«Tataaaa!» des Dom-Panoramas ein unmotiviertes «Tröööt … Sprotz … Pffft!» aus Baustellen, Stadtarchiv-Loch und Barbarossaplatz (dem einzigen Platz der Welt, dessen Bebauung komplett aus Antimaterie besteht). Und schon nach fünf Minuten fragt man sich schlecht gelaunt, wann genau die Städteplanung eigentlich an die Schimpansen des Kölner Zoos outgesourcet wurde.
Trotzdem: Ich komme gerne nach Hause, und das hat mit diesem besonderen Moment zu tun, wenn ich vor meiner Wohnung stehe, den Schlüssel ins Loch stecke und die Tür öffne. Zuerst muss man natürlich die abgestandene Luft vertreiben. Diese sämige Nach-Urlaubs-Luft, die in der Wohnung hockt wie ein Sumoringer in einem viel zu kleinen Pappkarton. Aber wenn das geschafft ist, startet mein 3 -Stufen-Programm. Und auf das freue ich mich eigentlich schon während des Urlaubs.
Stufe eins: Handschriften lesen.
Ich stehe auf handschriftliche Briefe. Pizza-Flyer: Verpisst euch. Rechnungen: haben Zeit. Aber handschriftliche Briefe, die fische ich sofort aus dem Poststapel. Dann setze ich mich mit ihnen auf die Couch und öffne sie, als wär’s eine Flaschenpost aus dem 18 . Jahrhundert. Ich weiß noch nicht einmal, worauf ich dabei eigentlich hoffe. Wahrscheinlich auf den Brief von einem unbekannten Onkel aus den Staaten, der mir schreibt: «Dear Markus, Du kennst mich nicht, ich Dich auch nicht, aber ich möchte Dir trotzdem mein gesamtes Vermögen sowie die Rinderfarmen und das Wochenendhaus in Kanada vermachen. Viel Spaß damit, Dein Onkel Johnny.»
Ich weiß: klingt nicht besonders realistisch. Ist auch noch nie passiert. Stattdessen enthalten die meisten handgeschrieben Kuverts nur ein Foto von sehr wohl bekannten Onkels. Daneben steht dann meistens ein Spruch wie: «Kaum zu glauben, aber wahr, Erwin wird bald 70 Jahr!», und es wird zu Kaffee, Kuchen und Brotzeit eingeladen. Mettigel statt Rinderfarm. Das echte Leben ist so ekelhaft phantasielos.
Stufe zwei meines Nach-Urlaubsprogramms ist etwas trauriger, gehört aber einfach dazu: Zimmerpflanzen-Bodycount. Ich stelle mich an die Fensterbank und zähle die Überlebenden. Meistens sind das nicht viele. Das Problem ist nämlich, dass sich traditionell mein Freund Mike um das Grünzeug kümmert. Und Mike hat keine
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