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Mettwurst ist kein Smoothie

Mettwurst ist kein Smoothie

Titel: Mettwurst ist kein Smoothie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Barth
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für Türglockentöne.)
    Aber es wurde noch schlimmer: Während wir auf die Messe zufuhren, stiegen richtige Hardcore-Fans ein, in Verkleidungen, die ich ebenfalls nicht begriff. Super Mario, Batman und Max Payne hätte ich ja noch erkannt, aber eine schwarz-rot gekleidete Piratin mit einem Schild «Free Albion!»? Ich habe absolut keine Ahnung, was das Mädel mir und der Welt mitteilen wollte. Da die stolze Piratin sich aber neben mich stellte und mich demonstrativ angrinste, lächelte ich ihr wissend zu, deutete auf die Flagge und sagte: «Free Albion! … Na, Mensch, ich drück die Daumen! So nach dem arabischen Frühling – da wird’s doch in Albion auch mal klappen!»
    Jetzt hatte das Mädel keine Ahnung, was ich ihm mitteilen wollte.
     
    Erst überlegte ich noch, ob ich vielleicht bei der Kölnarena aussteigen und mir, wie es sich für echte Mittdreißiger wohl gehört, ein paar Semino-Rossi-Karten holen sollte. Aber da waren wir schon an der Messe angekommen, und ich steuerte sofort auf den Stand der Freiwilligen Selbstkontrolle zu. Dort wurden die begehrten roten Armbänder ausgeteilt, die ihren Besitzer als volljährig auswiesen und ihn damit zum Ausprobieren aller Spiele berechtigten. Als ich dem Mitarbeiter meinen Arm hinhielt, lächelte er mich nur süffisant an. «Na, ich denke, das brauchen wir bei Ihnen nicht.»
    «Warum?», fragte ich.
    «Na, dass Sie volljährig sind, sieht man ja wohl.» Er grinste noch breiter. «Und es gibt kein spezielles Armband für Über- 40 -Jährige.»
    Ich erwog kurz, ihm mit einem seiner Armbändchen die Luft abzuschnüren. Aber dann heißt es in den Zeitungen ja gleich wieder: «Videospielfan läuft Amok». Und den Gefallen wollte ich all den CSU -Politikern, die in solchen Fällen schnell die Schützenvereins-Uniform ausziehen, das Jagdgewehr weglegen, vor eine Kamera hechten und «Ja, ja, die Ballerspiele sind schuld!» krakeelen, nicht tun.
     
    Ich streifte also ohne Bändchen durch die Flure der Messe. Wenn mich heute einer fragen würde, was denn da so präsentiert wurde – ich habe keine Ahnung! Die ganze Zeit suchte ich eigentlich nur eines: Menschen, die älter waren als ich. Das war nicht einfach. Stattdessen sah ich immer jünger werdende Videospielfans in immer länger werdenden Schlangen stehen und hörte sie Dinge rufen wie: «Yes! Noch vier Stunden, dann darf ich Diablo III spielen!» Ich kam mir vor wie Peter Scholl-Latour beim Kinderschminken.
     
    Irgendwann beschloss ich, mich nicht länger um die Altersfrage zu kümmern und endlich das zu tun, weshalb ich gekommen war: Spielen.
    Ich stellte mich also an einem Nintendo-Stand an. Sofort steuerte ein weiß gekleideter Promoter auf mich zu und drückte mir lächelnd eine Anstecknadel in die Hand.
    «Wow, ein Super-Mario-Pin», sagte ich und versuchte, dabei möglichst begeistert zu klingen. «Was bedeutet der? Bin ich jetzt Mitglied in einem Club? Bekomme ich regelmäßig Super-Mario-Infos? Krieg ich vielleicht sogar was geschenkt?»
    Der Promoter starrte mich etwas verwirrt an und sagte dann: «Ja. Äh … diesen Pin.»
    Wir schauten uns beide fünf Sekunden lang stumm in die Augen. Dann griff der Promoter nach dem Pin.
    «Aber vielleicht sind Sie dafür auch einfach schon zu alt.»
    Ich zog meine Hand schnell zurück, riss die Verpackung auf und steckte mir den Pin an. In dem Moment drehte sich der Junge, der gerade vor mir ein Nintendo-Spiel ausprobierte, um und sagte: «Mein Papa steht auch total auf Super Mario.»
    Ich nickte lächelnd.
    Der Junge wandte sich wieder zum Bildschirm und flüsterte dabei: «Voll peinlich.»
     
    Ich verließ den Super-Mario-Stand und näherte mich meiner letzten Hoffnung: der «World of Warcraft»-Area. Das habe ich zwar noch nie gespielt, ich wusste aber aus verschiedenen Fernsehsendungen, dass viele Menschen in meinem Alter das tun. Einige WoW-Fans kommen nämlich dadurch zu zweifelhaftem Ruhm, dass sie nächtelang zocken, völlig abtauchen, alle sozialen Kontakte abbrechen und erst Monate später bei Tine Wittlers «Einsatz in vier Wänden Spezial – Die Computernerd-Bude» wieder auftauchen.
    Ich schaute mich also um, und tatsächlich stand ich plötzlich zwischen Menschen in meinem Alter. Auf der Bühne, vor der sich alle versammelt hatten, fand gerade eine Verlosung statt. Ein Moderator hielt ein kleines Plastikpaket hoch und rief: «Okay, und jetzt hab ich hier noch einen Schlüsselanhänger. Den bekommt derjenige, der mir sagen kann, welches Geräusch die

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