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Meuterei auf der Deutschland

Meuterei auf der Deutschland

Titel: Meuterei auf der Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klecha Walter Hensel
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Bürger die Piraten eigentlich gewählt? Und wird die tatsächliche Politik im Alltag dem eigenen Anspruch gerecht?
4.1 Der neue Populismus?
    Auch wenn die Geschlechterdifferenz bei den Wählern geringer ausfällt als bei den Mitgliedern, werden die Piraten signifikant häufiger (zu etwa zwei Dritteln) von Männern gewählt. Außerdem ist ihre Wählerschaft deutlich jünger als die anderer Parteien: Bei Jung- und Erstwählern sind sie überdurchschnittlich erfolgreich, bei den unter 25-Jährigen erreichen sie in einigen Bundesländern zweistellige Werte. Bürger über 60 votieren hingegen nur in marginalen Zahlen für die Partei. Der Generationenunterschied ist deutlich ausgeprägter als bei allen Konkurrenten.
    Abgesehen von den Variablen Geschlecht und Alter ist die Wählerschaft der Piraten auf den ersten Blick sehr heterogen. Sie erhalten Stimmen aus ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen: Bei den Abgeordnetenhauswahlen in Berlin erzielten sie unter Arbeitslosen ebenso hohe Zustimmungsraten wie unter Selbstständigen (Borchard/Stoye 2011, S. 4; Hirscher 2011, S. 3 f.).Der hohe Anteil Selbstständiger lässt sich wiederum relativ einfach auf die Verwurzelung im IT -Sektor zurückführen.
    Überdurchschnittlich erfolgreich sind sie bei konfessionell nicht gebundenen Wählern und gewerkschaftlich organisierten Arbeitern. Der niedrige Zuspruch christlicher Wähler geht möglicherweise auf die dezidiert laizistischen Positionen der Partei zurück; zugleich dürfte hier – wie beim höheren Bildungsgrad der Piraten – ein Kohorteneffekt eine Rolle spielen: So sind jüngere Jahrgänge wegen der Bildungsexpansion der letzten Jahrzehnte oft höher gebildet, gleichzeitig sind sie wegen der fortschreitenden Säkularisierung oftmals eher kirchenfern sozialisiert als die älteren Generationen.
    Schwieriger zu beantworten ist hingegen die Frage, warum gewerkschaftlich gebundene Arbeiter, nicht jedoch die Angestellten, besonders häufig für die Piraten votieren. In Berlin schnitt die Partei in diesem Segment (gleichauf mit der Linken) am drittbesten ab ( SPD 2011, S. 14), bei den Arbeitslosen verhielt es sich ähnlich. Ein Erklärungsgrund für beide Gruppen findet sich bei den als wahlentscheidend angesehenen Themen. In allen vier Landtagswahlen lag für die Wähler der Piratenpartei das Thema soziale Gerechtigkeit an der Spitze. Sofern abgefragt, landete die Netzpolitik deutlich dahinter. Dieser Befund überrascht, schließlich haben die Piraten in dieser Hinsicht bislang noch kein besonders ausgefeiltes Profil. Ihre dennoch vorhandenen Forderungen, wie die nach einem bedingungslosen Grundeinkommen, scheinen ihre Wirkung aber nicht verfehlt zu haben.
    Berücksichtigt man außerdem, dass Wähler von allen Parteien und insbesondere einstige Nichtwähler in großer Zahl zu den Piraten strömen, lichtet sich der Nebel aber ein wenig und es wird deutlich, dass die Bürger sich nicht nur aufgrund konsistenter Überzeugungen für die Partei entscheiden. Die Nachwahlbefragungen offenbarten nämlich auch, dass mehrheitlich Protestwähler für die Piratenpartei stimmten. Bei Umfragen zu den letzten Landtagswahlen gaben stabil über 60 Prozent der Befragten an, sie hätten aus Enttäuschung über die etablierten Parteien für die Piraten votiert. Der Anteil der Enttäuschten lag damit sogar nochhöher als bei der Wählerschaft der genuinen Protestpartei Die Linke ( SPD 2012, S. 2).
    Nimmt man die Variablen Geschlecht und Alter hinzu, lassen sich aus all diesen Zahlen frappierende Ähnlichkeiten mit der Wählerschaft (rechts)populistischer Parteien in Westeuropa ableiten (Spier 2010, S. 146 f.). Tatsächlich verraten auch die Wahlkampfslogans der Partei einen gewissen Hang zum Populismus: »Vertraue keinem Plakat – informier Dich!«, »Transparenz im Staatswesen«, »Transparenz statt Hinterzimmerpolitik« oder »Nicht käuflich, nur wählbar«: Immer wieder wird unterstellt, die etablierte Politik sei käuflich, sie habe das Vertrauen der Bürger nicht verdient und agiere intransparent. Die Piraten reagieren damit auf ein Bedürfnis der Wähler, die sich angesichts komplizierter und verhandlungsintensiver Entscheidungsprozesse nach »Eingängigkeit und Transparenz« sehnen (Decker 2012, S. 13).
    Die Komplexität der politischen Landschaft reduzieren die Piraten mithilfe eines dichotomen Schemas: Demnach schützt der juristische Status quo die Interessen der alten wirtschaftlichen und politischen Eliten, die den

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