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Meuterei auf der Deutschland

Meuterei auf der Deutschland

Titel: Meuterei auf der Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klecha Walter Hensel
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gesellschaftlichen Fortschritt im Bereich der digitalen Informations- und Kommunikationstechnologien ebenso behindern, wie sie die individuellen Freiheiten der Bürger bedrohen. Zugleich verwandle sich der Staat in einen omnipotenten Leviathan, der in seinem übertriebenen Streben nach Souveränität und Sicherheit die Bürgerrechte immer stärker beschneide und sich von Lobbyisten korrumpieren lasse. Dem stellen die Piraten die Idee eines Bürgers gegenüber, der sich mithilfe der neuen technischen Möglichkeiten zur Wehr setzt und für Transparenz und Teilhabe kämpft. Die Haltung insgesamt ist antielitär, politische Entscheidungsprozesse werden moralisiert, die Welt in zwei Lager eingeteilt. All das sind typische Merkmale populistischer Strömungen (Priester 2012, S. 5).
    Um es noch einmal zu betonen: Die Partei verfolgt nicht bewusst eine dezidiert populistische Wahlkampfstrategie, diese ergibt sich eher aus dem allgemeinen Unbehagen an der repräsentativen Demokratie. Zudem gilt es zu beachten, dass die Wähler der Piraten deutlich gebildeter sind als die Anhänger rechtspopulistischer Bewegungen und dass die Partei sich grundsätzlich eindeutig zur Demokratie bekennt. Sie erinnert insofern eher an die STATT Partei, deren Protest sich in der ersten Hälfte der neunziger Jahre ebenfalls nicht gegen das politische System als solches richtete, sondern gegen als negativ wahrgenommene Auswüchse. Die Piraten offerieren sich also nicht als Anti-System-Partei, sie streben vielmehr eine direktdemokratische Erneuerung der politischen Ordnung an. Der Grat, auf dem sie dabei wandeln, ist freilich schmal. Schließlich gilt es festzuhalten, dass die Partei für sich in Anspruch nimmt, diese Prinzipien auch in der eigenen Arbeit umzusetzen und personelle wie konzeptionelle Alternativen anzubieten.
    Das ist der wohl entscheidende Grund, warum insbesondere die Grünen gegenwärtig große Probleme haben, sich mit der neuen Konkurrenz zu arrangieren. Immerhin galten sie lange Zeit als einzige nonkonformistische Partei, redeten anders, wirkten frisch und unverbraucht. Zudem stellten sie ursprünglich ähnliche Fragen, sie präsentierten vergleichbare Ansätze zur Reform der Demokratie und forderten Partizipation und Transparenz ein. Inzwischen sind die Grünen aber längst etabliert und angepasst, sie tragen Anzüge, nutzen Dienstwagen und beteiligen sich an Regierungen. Selten kommt etwas Unerwartetes oder Überraschendes. Die begeisternde Empörung der ersten Jahre ist einer gewissen Routine gewichen.
    Dazu kommt, dass die schon länger zu beobachtende Unzufriedenheit der Bürger sowohl der Politik insgesamt als auch den politischen Akteuren gilt. Viele Menschen sind des seit Jahrzehnten vertrauten Personals überdrüssig. Man muss gar nicht lange überlegen, auch die führenden Köpfe der Grünen sind bereits lange im Geschäft. Renate Künast wirkte schon 1989 am Abschluss der damaligen Berliner Landeskoalition mit. Jürgen Trittin wurde 1990 erstmals Landesminister. Claudia Roth führte bereits 1994 die grüne Fraktion im Europaparlament. Wähler, die es als Fernsehpublikum gewohnt sind, alle drei Monate einen neuen Superstar oder ein Supertalent präsentiert zu bekommen, müssen dementsprechend ein wenig gelangweilt sein. Kurzum: Vor diesem Hintergrund fällt es den Piraten besonders leicht, mit neuem und unverbrauchtem Personal zu punkten.
    Die Piraten schöpfen also aus einer Wählerschaft, die gleichermaßen gelangweilt, enttäuscht und neugierig ist. Doch diese Basis ist nicht unbedingt zuverlässig. Sowohl in Berlin als auch im Saarland fiel auf, dass nicht wenige Wähler sich erst kurzfristig für die Piratenpartei entschieden ( SPD 2011, S. 20; SPD 2012, S. 2). Die Bindung der Wähler ist trotz des gegenwärtig anhaltenden Umfragehochs bislang eher schwach einzustufen. In Anbetracht der massiven Wählerschwankungen der letzten Jahre stellt dies für die junge Partei eine große Herausforderung dar. Die Piraten konnten Zuwächse bei ganz unterschiedlichen Wählerschichten verzeichnen, die heterogene, teils widersprüchliche Erwartungen haben, und es dürfte schwer werden, diese alle zu erfüllen. Als kompetent gilt die Partei derzeit noch vor allem im Bereich der Netzpolitik, dafür interessiert sich allerdings nur ein schmales Segment der Wählerschaft. Will man sich im politischen Wettbewerb weiterhin behaupten, muss man überdies das programmatische Angebot erweitern und vertiefen. Ohne klares Profil könnten die

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