Meuterei auf der Elsinore
auch Götter gibt, so kehre auch ich immer wieder zu meinen Betrachtungen über die Frau zurück.
Die Stimme des Steuermanns unterbrach meine Grübelei. Ich hörte ihn vorn auf dem großen Deck fauchen: »Ahoi, du da, auf die Großmastrahe! Wenn du das Seising kappst, haue ich dir deinen verfluchten Schädel zu Mus, verstanden?«
Dann hörte ich ihn wieder rufen, aber seine Stimme schien wie verwandelt. Da er »Henry« rief, verstand ich, daß es sich um den Jungen vom Schulschiff handelte: »Du, Henry, die Oberbramleesegelrahe! Aber dreh mir das Seising nicht auf, hörst du? Die Rahe entlang und dann ans Drehreep.«
Das riß mich aus meinen Träumereien. Ich beschloß, zu Bett zu gehen. Als ich die Hand nach dem Türgriff des Kartenhauses ausstreckte, hörte ich wieder die Stimme des Steuermannes: »Aufwachen, ihr Affen! Und ein bißchen willig!«
Ich schlief diese Nacht schlecht. Zwar schlief ich sofort ein, wachte aber gleich wieder auf. Und dann versuchte ich vergeblich, wieder einzuschlafen, bis ich es schließlich aufgab. Aber bei meinem nervösen Zustand auch noch an Hitzepickeln leiden zu müssen – und noch dazu bei diesem saukalten Winterwetter, das war des Guten doch zuviel!
Um vier zündete ich das Licht wieder an, um weiterzulesen. Meine Kabine lag auf der Luvseite des Schiffes, an Deck hörte ich die Schritte des wachhabenden Offiziers, der unaufhörlich auf und ab ging. Einer wachte also dort oben. Die Arbeit ging ihren Gang, wachsame Männer paßten auf, und solange die Reise dauerte, würde – darüber war ich mir klar – diese Wachsamkeit keine Stunde aussetzen. Um halb fünf hörte ich den Wecker des Stewards Alarm schlagen, aber er wurde sofort wieder zum Schweigen gebracht, und fünf Minuten später streckte ich die Hand aus und öffnete die Tür, um den Steward zu rufen. Ich hatte Verlangen nach einer Tasse Kaffee.
Der Steward schien wirklich ein Juwel zu sein. Zehn Minuten später brachte er mir eine Tasse wundervollen Kaffees. Dann las ich weiter, bis es hell wurde. Als es halb neun war, hatte ich schon im Bett gefrühstückt, war angezogen und rasiert und an Deck. Wir wurden noch geschleppt, aber wegen des leichten Nordwindes waren schon die Segel gesetzt. Im Kartenhaus saßen der Kapitän und der Lotse und rauchten. Am Steuer stand ein Mann, dem ich sofort ansah, daß er zu den wenigen Tüchtigen an Bord gehörte. Er war nicht groß, eher etwas untersetzt. Seine Stirn war hoch und intelligent. Er hatte blaue Augen, helle Haut, Haar und Bart waren graumeliert; er schien gegen Fünfzig zu sein. Er grüßte mich gutgelaunt und lächelte freundlich dabei. Er hatte freilich nicht gerade die seemännische Art des Schulschiffsjungen Henry, aber ich erkannte doch sofort, daß er nicht nur ein befahrener, sondern sogar ein tüchtiger Seemann war. Herr Pike hatte gerade Wache, und als ich ihn über Tom ausfragte, gab er mürrisch zu, daß der Mann der beste von der ganzen Schwefelbande sei.
Fräulein West tauchte mit rosigem Morgenteint auf. Als ich auf ihre Frage, wie ich geschlafen hätte, »ganz scheußlich!« antwortete, bat sie um nähere Erklärung. Ich erzählte ihr deshalb von meinen Hitzepickeln und zeigte ihr die Blasen an meinen Handgelenken.
»Sie müssen ein Blutreinigungsmittel haben«, entschied sie sofort. »Warten Sie doch bitte einen Augenblick… Ich will sehen, was ich habe.«
Im selben Augenblick lief sie in die Kajüte und kam gleich darauf mit einem Glase Wasser in der Hand wieder, in das sie einen Teelöffel Cremor Tartari gerührt hatte. »Nehmen Sie das sofort ein«, befahl sie wie selbstverständlich.
Ich trank. Und um elf, als ich es mir auf meinem Deckstuhl bequem gemacht hatte, kam sie wieder und gab mir eine zweite Dosis. Bei dieser Gelegenheit rügte sie scharf, daß ich Wada erlaubt hatte, Possum Fleisch zu geben. Sie belehrte mich und Wada, daß es eine wahre Todsünde sei, so jungen Hunden Fleisch zu geben. Die Verpflegungsfrage des Hündchens erregte einen wahren Sturm in einem Wasserglase. Als alles vorbei war, hatte Fräulein West es verstanden, eine enge Verbindung zwischen uns beiden anzuknüpfen. Sie hatte in mir das Gefühl wachgerufen, daß Possum uns eigentlich gemeinsam gehörte.
Das Gabelfrühstück bestärkte mich in meiner Bewunderung für den Koch. Im Laufe des Nachmittags ging ich deshalb in die Kombüse, um seine Bekanntschaft zu machen. Er war durch und durch Chinese, jedenfalls bis er den Mund öffnete, denn da wurde er plötzlich
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