Meuterei auf der Elsinore
Anweisungen erteilte. Als er fertig war, bemerkte er mich und grüßte.
»Guten Morgen«, gab ich seinen Gruß zurück. »Sagen Sie, wer steht denn heute am Rad?«
»Der verrückte Griechen-Tony«, antwortete er.
»Ich setze einen Monatsgehalt gegen ein Pfund Tabak, daß er nicht da ist.«
Pike sah mich mit einem schnellen scharfen Blick an.
»Wer steht denn am Rad?«
»Kein Mensch«, antwortete ich.
Da explodierte er. Das Alter war mit einem Schlage verschwunden, und er sprang mit einer Schnelligkeit über das Deck, die wohl kaum ein anderer an Bord hätte erreichen können. Er verschwand hinter dem Kartenhaus in der Richtung des Steuerhauses.
Dann wurde mit rasender Schnelligkeit eine Reihe von Befehlen gebrüllt. Die ganze Wache wurde an die Geitaue gestellt, und alles wurde bereit gemacht, um zu brassen – dann wurde gefiert und angehalst – ich kannte bereits das Manöver… das Schiff sollte vor dem Winde wenden.
Als ich wieder achteraus ging, kamen Mellaire und der Zimmerbaas aus der Kajüte – sie schienen in ihrem Frühstück gestört worden zu sein, denn sie wischten sich noch den Mund. Pike trat an den Rand der Kampanje, erteilte dem Untersteuermann einige Befehle, die sofort weitergegeben wurden, und stellte den Zimmermann ans Rad.
Als die Elsinore abgefallen war, so daß sie den Wind von achtern bekam, ließ der Steuermann sie anluven, bis sie über die Backbordluk am Winde lag und denselben Weg, den sie gekommen war, wieder zurücklief. Dann zeigte Pike mit dem Finger auf das Achterluk, das zu dem großen Heckraum führt. Die Leiter war dort verschwunden.
»Er muß die Lazarettleiter mitgenommen haben«, sagte Pike.
Kapitän West kam aus dem Kartenhaus. Er grüßte ganz wie sonst und bot mir und dem Steuermann guten Morgen. Dann ging er ruhig über die Kampanje bis zum Steuerrad, wo er einen Augenblick stehenblieb, um sich das Kompaßhäuschen anzusehen. Langsam kehrte er um und blieb vorn am Bogen stehen. Wieder kam er zu uns zurück. Zwei volle Minuten vergingen, ehe er sprach.
»Was ist los? Mann über Bord?«
»Jawoll, Käpt’n!«
»Und die Lazarettleiter hat er mitgenommen?« fragte Kapitän West.
»Jawoll, Käpt’n! Es ist der Grieche, der schon in Baltimore über Bord gesprungen ist.«
Die Sache war offenbar nicht bedeutungsvoll genug, um Kapitän West in einen Helden zu verwandeln. Er zündete sich eine Zigarre an und nahm seinen gewöhnlichen Spaziergang auf. Und dennoch war nichts seiner Aufmerksamkeit entgangen, nicht einmal das Fehlen der Lazarettleiter.
Pike schickte Leute in alle Bramrahen, um Ausschau zu halten, und die Elsinore glitt wieder durch die See. Jetzt kam auch Fräulein West auf die Kampanje und stellte sich neben mich. Sie zeigte keine Aufregung und beruhigte mich auf ihre Art, indem sie mir erzählte, wie schwer es sei, einen Selbstmörder von der Art Griechen-Tonys loszuwerden.
»Ihre Verrücktheit hat nämlich die Eigentümlichkeit, die Leute immer zu überfallen, wenn schönes Wetter oder andere besonders günstige Umstände herrschen«, sagte sie lächelnd. »Zum Beispiel, wenn man leicht ein Boot aussetzen kann, oder wenn ausgerechnet ein Schlepper längsseits liegt. Zuweilen nehmen sie sogar ein Rettungsgerät mit, wie jetzt die Leiter.«
Nach einer guten Stunde ließ Herr Pike die Elsinore wieder halsen, und jetzt liefen wir wieder denselben Kurs, den wir gelaufen waren, als der Grieche über Bord sprang. Kapitän West promenierte immer noch rauchend auf der Kampanje. Andy Fay wurde ans Rad gestellt, der Zimmermann begab sich, wieder nach unten, um sein Frühstück zu beenden.
Mir kam ja das ganze Benehmen der Leute reichlich herzlos vor. Kein Mensch kümmerte sich wirklich um den unglücklichen Mann, der über Bord gesprungen war. Und doch mußte ich gestehen, daß man zu seiner Rettung alles getan hatte, was überhaupt möglich war. In diesem Augenblick wurde vom Ausguck auf der Kreuzbramrahe gespreit. Der Steuermann spähte nach Luv aus, ließ plötzlich das Glas sinken, rieb sich die Augen und sah dann wieder hinaus. Da ließ Fräulein West, die ein anderes Glas benutzte, einen überraschten Ausruf hören und begann zu lachen.
»Was meinen Sie dazu, Fräulein West?« fragte Pike.
»Er scheint gar nicht im Wasser zu liegen. Er steht.«
Pike nickte. »Auf der Leiter«, sagte er. Er wandte sich an den Untersteuermann. »Herr Mellaire, lassen Sie das große Boot aussetzen und bemannen. Ich gehe selbst mit. Aber nehmen Sie Männer, die einen
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