Meuterei auf der Elsinore
knirscht, ist es zum Davonrennen. Nun sagen Sie selbst, Herr, ob es recht ist, so einen verrückten Kerl mit einem Kranken zusammenzulegen? Oder bin ich vielleicht nicht krank?«
Während er noch sprach, tauchte der Steuermann neben mir auf und stellte sich so, daß Davis ihn nicht sehen konnte. Der sprach weiter: »Wenn alles hier seine Richtigkeit hätte, sollte ich die Unterkoje haben. Es tut verflucht weh, wenn ich hier herauf klettern muß. Aber das Gesetz schützt Seeleute an Bord besser als an Land. Ich werde Sie als Zeuge vor Gericht laden, wenn wir erst in Seattle sind.«
Pike stellte sich in den Türrahmen. »Halt die Fresse, verdammter Seerechtsverdreher«, fauchte er. »Hast du uns nicht schon genügend reingelegt, als du dich in dem Zustand heuern ließest? Und wenn du noch einmal…« Pike war so wütend, daß er seine Drohung nicht zu Ende sprechen konnte.
»Ich kenne das Gesetz, Herr«, antwortete Davis unverzüglich. »Ich tue meine Arbeit als befahrener Seemann an Bord dieses Schiffes. Alle können es bestätigen. Ich war Toppsgast vom ersten Tag an. Jawohl. Herr, ich stand Tag und Nacht bis zum Hals im Seewasser, Herr. Sie schickten mich nach unten, um Kohle zu trimmen. Ich hab’ immer meine Pflicht getan und mehr als das, bis die Krankheit kam, Herr.«
»Du warst ein stinkendes und verwestes Aas, ehe du an Bord kamst«, brauste Pike auf.
»Das wird das Gericht schon entscheiden, Herr«, antwortete Davis, den nichts aus der Ruhe bringen konnte.
»Wenn du jetzt nicht deine verdammte Fresse hältst«, fuhr Pike fort, »dann schmeiße ich dich hier hinaus und zeige dir, was arbeiten heißt.«
»Dann werden die Reeder mir eine tüchtige Entschädigung zahlen, wenn wir wieder im Hafen sind«, knurrte Davis.
»Nicht, wenn ich dich begrabe, ehe wir einlaufen, Davis«, lautete die barsche Antwort. »Du wärst nicht der erste Seerechtsverdreher, den ich mit einem Sack Kohlen an den Füßen über Bord gehen ließe.«
Pike wandte sich ab und setzte dann seinen Rundgang an Deck fort. Ich ging ihm nach, als er plötzlich stehenblieb.
»Herr Pathurst!«
Er sprach nicht wie ein Schiffsoffizier zu einem Passagier – sein Ton war befehlend. Ich fuhr zusammen.
»Herr Pathurst, von jetzt ab lassen Sie sich am besten so wenig wie möglich an Deck dieses Schiffes sehen. Danke.« Und wieder machte er kehrt und ging seines Weges.
Zwei Wochen auf einer wundervollen See unter einem Himmel mit weißen Wölkchen vor einer leichten östlichen Kühlte, die uns mit Leichtigkeit acht Knoten die Stunde treibt. Kapitän West sagt, daß es der Nordostpassat sei. Ich erfuhr auch, daß die Elsinore, um nicht bei Kap San Roque an der brasilianischen Küste aufzulaufen, erst ostwärts bis fast zur afrikanischen Küste steuern müßte.
Als ich heute morgen an Deck kam, fand ich den Selbstmörder Tony am Steuerrad. Er schien jetzt ganz vernünftig zu sein und grüßte mich auch freundlich, als ich ihm einen guten Morgen bot. Die verwundeten Matrosen scheinen jetzt übrigens alle in der Besserung zu sein, mit Ausnahme natürlich von Charles Davis und O’Sullivan. Der liegt noch immer festgezurrt in seiner Koje, und Davis wird von Pike gezwungen, seinen Kameraden zu bedienen und zu pflegen. Die Folge ist leider, daß Davis sich hin und wieder an Deck zeigt, wenn er Essen und Wasser aus der Kombüse holen muß. Dann nimmt er jedesmal die Gelegenheit wahr, um den anderen Seeleuten das ihm angetane Unrecht vorzukauen.
Wada berichtete mir heute morgen übrigens eine sehr merkwürdig anmutende Geschichte. Er scheint sich mit dem Steward und den beiden Segelmachern, die ja alle auch Asiaten sind, allabendlich in der Kabine des Kochs zu einem kleinen Klatsch zu treffen, wobei sie sämtliche Schiffsgerüchte gründlich und eifrig durchhecheln. Nur wenig entgeht ihrer Aufmerksamkeit, und ich erfahre dann von dem treuen Wada immer alles, was sie beredet haben. Und eben jetzt berichtete er mir etwas ganz Seltsames von dem Untersteuermann Mellaire. Sie hatten von ihm gesprochen und waren sich alle einig, daß seine Vertraulichkeit mit den drei Verbrechern im Vorderkastell höchst unpassend sei.
»Aber Wada«, sagte ich, »der ist doch gar nicht so! Im Gegenteil, er ist immer sehr grob und hart zu sämtlichen Matrosen. Er behandelt sie einfach wie Hunde. Das wissen Sie doch.«
»Ganz recht«, stimmte Wada mir zu. »Die andern Matrosen er behandelt so. Aber diese drei bösen Männer seine guten Freunde geworden sein. Louis sagen,
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