Meuterei auf der Elsinore
Untersteuermann gehören nach achtern zu Steuermann und Kapitän. Nicht gut für Untersteuermann, als Freund mit Matrosen sprechen. Nicht gut für Schiff. Sie werden sehen!«
Wadas Worte bewogen mich immerhin, der Sache nachzugehen. Es sieht wirklich so aus, als ob die drei Banditen, Bub Twist, Nasen-Murphy und Bert Rhine, sich zu Herrschern der Back aufgeworfen hätten. Die drei halten immer zusammen, und so ist es ihnen gelungen, im Vorderkastell ein Schreckensregiment zu errichten. In New York hatten sie vermutlich die Rohlinge des Verbrecherviertels zu beherrschen verstanden, und das ist eine gute Schule gewesen. Soweit ich aus den Worten Wadas klug werden konnte, scheinen sie den Anfang mit den beiden Italienern in ihrer Wache, Guido Bombini und Mike Cipriani, gemacht zu haben. Durch Mittel, die ich nicht erraten kann, haben sie diese beiden Wracks zu ihren zitternden Sklaven gemacht.
Chantz steht ebenfalls unter dem Terror der Banditen, wenn er auch etwas besser behandelt wird. Hermann Lunkenheimer, ein an sich gutmütiger, aber nicht sehr begabter Schweizer, bekam eine tüchtige Tracht Hiebe von den dreien, weil er es abgelehnt hatte, Nasen-Murphys schmutzige Kleider zu waschen. Die beiden Bootsleute haben eine wahre Todesangst vor dieser Bande, und nicht ohne Grund, denn der Kreis der Banditen erweitert sich immer mehr. Auch Steve Roberts sowie der frühere Sklavenhändler haben sich ihm jetzt angeschlossen.
Ich bin der einzige hinter dem Mast, dem das alles bekannt ist, und ich gestehe offen, daß ich nicht recht weiß, was ich mit diesem Wissen anfangen soll. Pike wird mir einfach sagen, daß ich mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmern solle. Mellaire kommt selbstverständlich nicht in Frage. Kapitän West hat ja sozusagen keine Mannschaft. Und Fräulein West? Ja, die würde mich, glaube ich, wegen meiner Ängste nur auslachen. Außerdem sehe ich ja auch ein, daß jedes Vorderkastell seinen Raufbold oder seine Bande von Raufbolden haben muß. Folglich ist das eine Sache, die nur die Back selbst und nicht die Kajüte angeht. Die Arbeit auf dem Schiff wird ja getan. Die einzige Folge einer Einmischung meinerseits wäre also, daß es den Unglücklichen, die sich der Schreckensherrschaft im Vorderkastell beugen müssen, noch schlimmer erginge als bisher.
Und noch etwas erzählte mir Wada. Die Banditen haben sich das Vorrecht angemaßt, sich die besten Stücke aus den Fleischschüsseln herauszufischen. Was sie übriglassen, erhalten dann die andern. Ich muß jedoch zugeben, daß die Mannschaft der Elsinore sehr gutes Essen erhält. Die Leute bekommen so viel, wie sie nur mögen. Auf der Back steht auch stets eine Tonne mit gutem Schiffszwieback zu freier Benutzung. Louis backt außerdem dreimal wöchentlich frisches Brot für die Mannschaft. Das Essen ist abwechslungsreich und in jeder Beziehung einwandfrei. Nicht einmal das Trinkwasser ist Einschränkungen unterworfen. Das Aussehen der Matrosen bessert sich in dieser Zeit des guten Wetters auch mit jedem Tage.
Es ist ein seltsames Leben, das man hier auf der Elsinore führt. Obgleich ich das Gefühl habe, schon monatelang an Bord zu sein, weil ich die geringste Einzelheit dieser unserer kleinen Welt kenne, muß ich doch gestehen, daß ich mich noch durchaus unsicher fühle. Mein Gehirn pendelt hin und her zwischen Dingen, die es begreift, und solchen, die ihm ganz unverständlich sind – von unserm Kapitän mit der wunderbaren Stimme, die man nur im Getöse des Sturmes zu hören bekommt, bis zu dem schwachsinnigen Faun mit den klaren, schmerzerfüllten Augen, bis zu den drei Banditen, die das Vorderkastell beherrschen und den Untersteuermann in Versuchung führen, bis zu O’Sullivan im stählernen Loch des Mannschaftslazaretts und dem ewig jammernden Davis, der in seiner Koje liegt und den Maripfriem nicht aus der Hand läßt, ja bis zu Christian Jespersen, der irgendwo in der unendlichen Weite des Meeres mit seinem Kohlensack an den Füßen liegt. In solchen Augenblicken erscheint einem das Leben an Bord der Elsinore ganz unwirklich.
Hat es je eine solche Fahrt gegeben?
Als ich heute morgen an Deck kam, sah ich niemand am Steuerrad. Es kam mir ganz unheimlich vor: die gewaltige Elsinore mit allen Segeln beim Winde über See gleitend… und keine Hand, die sie lenkte.
Kein Mensch auf der Kampanje! Es war die Wache des Steuermanns, und ich eilte über die Laufbrücke, um ihn zu suchen. Er stand beim Kabelgatsluk, wo er dem Segelmacher
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