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Meuterei auf der Elsinore

Meuterei auf der Elsinore

Titel: Meuterei auf der Elsinore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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die auf dem schaumbespritzten Deck herumkrabbeln, und weiß, daß sie nie die Liebe kennenlernen werden, die ich empfinde.
    »Das einzige, was ich vor der Reise ganz bestimmt wußte, war doch, daß ich dir nie erlauben würde, mir den Hof zu machen.« Dies Geständnis machte Margaret mir heute morgen in der Kajüte, als ich sie aus meinen Armen ließ.
    »Also, das waren deine Gedanken schon vor Beginn der Reise?« neckte ich sie heiter. »Du betrachtetest mich schon damals mit dem Blick der Frau, die einen Mann abschätzt!«
    Sie lachte übermütig.
    »Ich weiß jedenfalls, wann du mich das erstemal haßtest«, sagte sie mit einem Versuch, mir auszuweichen.
    »Ja«, sagte ich, »als ich dich das erstemal sah und hörte, daß du die Reise mitmachen wolltest. Aber du weißt auch, wann ich dich zuerst liebte.«
    Oh, ihre Augen waren herrlich, und ihre Ruhe und Sicherheit waren verblüffend, als sie ihre Hand auf meinen Arm legte und mit sanfter, stiller Stimme sagte: »Ja, ich weiß… es war der Morgen, an dem der Pampero wehte und du durch die Tür in die Kabine meines Vaters geschleudert wurdest… ich las es in deinen Augen… ich weiß es, das war der erste Augenblick… der allererste.«
    Ich konnte nur mit dem Kopf nicken und preßte sie fester an mich. Da sah sie mich an und sagte: »Du sahst so schrecklich komisch aus. Du saßest auf dem Bett, hieltest dich mit einer Hand fest und starrtest mich an, ärgerlich, verblüfft und ganz furchtbar töricht… und da… ich weiß nicht wie… da wußte ich mit einem Male, daß du…«
    »Aber in der nächsten Sekunde wurdest du sehr steif und kühl«, unterbrach ich sie sehr ungalant.
    »Ja, eben deshalb«, gestand sie ohne Scham. Dann bog sie sich etwas zurück, ließ aber ihre Hände auf meinen Schultern, während sie lachte und ihre Lippen sich leicht öffneten, so daß ich die starken weißen Zähne sah.

    Es ist sehr seltsam! Ich weiß kaum, was ich glauben soll. Hat der Kapitän wirklich einen Fehler gemacht? Oder war es die Finsternis des kommenden Todes, die sein sternenklares Gehirn lähmte und verdüsterte und seine ganze Weisheit zunichte machte? Oder war es umgekehrt der Fehler, der vorzeitig seinen Tod veranlaßte? Ich weiß es nicht und werde es nie erfahren.
    Gestern nachmittag, fünf Wochen, seit wir aus der Straße von Le Maire in dies graue Meer der Stürme tauchten, lagen wir wieder einmal über Backbordhalsen vor Kap Hoorn. Als die Wachen sich um vier Uhr ablösten, erteilte Kapitän West Pike den Befehl, das Schiff vor dem Winde wenden zu lassen. Wir lagen in diesem Augenblick über Steuerbordhalsen, und die Abtrift führte uns von der Küste fort. Das neue Manöver sollte uns in einen rechten Winkel zum Lande bringen. Im Kartenraum blickte ich neugierig auf die Karte, maß mit den Augen den Abstand und kam zu dem Ergebnis, daß wir uns nur etwa fünfzehn Meilen von Kap Hoorn befanden.
    »Da werden wir gegen Morgen ja ganz nahe am Land sein, nicht wahr?« meinte ich.
    »Freilich«, nickte Kapitän West; »wenn die Westwindströmung nicht wäre und das Land sich nicht nach Nordosten erstreckte, würden wir morgen früh sogar das Land anlaufen. So aber werden wir gegen Tagesanbruch nahe an der Küste sein, bereit, wenn wir Glück haben, um das Hoorn zu schlüpfen, oder, wenn wir kein Glück haben, vor dem Winde zu wenden.«
    Es fiel mir nicht ein, seinen Entschluß zu kritisieren. Was er sagte, war richtig und mußte geschehen. War er nicht der Kapitän?
    Und doch sah ich Pike wenige Minuten, nachdem der Kapitän nach unten gegangen war, das Kartenhaus betreten. Als ich mehrmals auf und ab gegangen war, schlenderte ich wieder nach dem Kartenhaus. Von einem unklaren Gefühl angetrieben, guckte ich durch das Fenster. Da stand Pike. Er beugte sich, Zirkel und Reißschiene in der Hand, über die Karte. Aber es war sein Gesichtsausdruck, der mich überraschte. Die gewöhnliche Verdrießlichkeit war verschwunden, alles, was ich darin lesen konnte, war Furcht und Unruhe. Nie hatte ich ihn so alt gesehen wie in diesem Augenblick. Ich entfernte mich leise von der Tür und ging über die Kampanje bis zur Brüstung. Dort blieb ich stehen und starrte über die grauen Wellen hinaus. Irgendwo drüben lag eine Küste von eisernen Klippen, gegen die sich die mächtigen Graubärte brüllend stürzten. Und hier, im Kartenhaus der Elsinore, stand über eine Karte gebeugt ein alter Seemann und maß und rechnete, um unsere Lage und unsere Abtrift festzustellen!
    Aber ich

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