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Meuterei auf der Elsinore

Meuterei auf der Elsinore

Titel: Meuterei auf der Elsinore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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soliden Billardtisch, der fest und gerade auf den Beinen steht, einfach nicht zu fassen ist. Im früheren Leben habe ich wohl Dinge gesehen, die fest standen und nicht hin und her schaukelten, aber, wie gesagt, in einem früheren Dasein.
    In den letzten zehn Tagen wurden wir zweimal bis zu den Diego-Ramirez-Klippen zurückgetrieben. Jetzt liegen wir, nach einer allerdings unsicheren Schätzung, ein paar hundert Meilen davon. Dreimal in der letzten Woche wurden wir so stark auf die Seite geworfen, daß das Wasser bis zu den Luken ging. Sechs herrliche, aus dem besten Kanevas genähte Segel, die mit doppelten Beschlagseisingen und Bindsein festgemacht waren, rissen sich von den Rahen los. Und mehr als einmal stand es so schlecht um die Gesundheit unserer Matrosen, daß kaum die Hälfte von ihnen dem Befehl nachkommen konnte, wenn »Alle Mann an Deck, überall, überall!« gerufen wurde. Jacobsen, der sich schon zu Beginn der Reise das eine Bein brach, wurde vor einigen Tagen von den Seen zu Boden geschmettert und brach sich wieder dasselbe Bein. Ditman Olansen, der Norweger mit den verrückten Augen, hatte während der Plattfußwache einen Wutanfall und machte in seiner Hälfte das Logis gründlich klar. Wada erzählt, daß Fitzgibbon und Gilder, der Malteser-Londoner, und Steve Roberts nötig waren, um den Amokläufer zu binden. Sie gehören alle zur Wache Mellaires. In der Wache des Steuermanns hat John Hackey, der Friscoer Strolch, die Waffen gestreckt und sich den Banditen angeschlossen. Und erst heute morgen mußte der Steuermann Charles Davis aus dem Logis hinauswerfen, wo er ihn gefunden hatte, als er den Schuften dort das Seerecht erklären wollte. Was Mellaire betrifft, so beharrt er bei seiner unpassenden Vertraulichkeit mit den Banditen. Heute ist etwas Wunderbares passiert! Gegen Mittag erschien die Sonne und blieb mindestens fünf Minuten lang am Himmel sichtbar. Aber ach! Welch armselige Sonne! Ein fahler, kalter, kränklicher Ball, der auf seinem Höhepunkt nur 9 bis 10 Grad über dem Horizont stand. Und ehe noch eine Stunde vergangen war, mußten wir die Segel bergen, und jetzt liegen wir hier im Schneegestöber einer labberen Südwestkühlte.
    »Was ihr auch tut, immer westwärts! Immer westwärts!« Diese alte Navigationsregel der Seefahrer für die Reise um Kap Hoorn ist wie in Erz gehämmert. Ich verstehe jetzt, daß es Schiffsführer gibt, die über Bord gefallene Matrosen ihrem Schicksal überließen und nicht einmal den Versuch machten, ein Boot auszusetzen, nur weil sie endlich günstigen Wind bekommen hatten.
    Und wir laufen immer nur ostwärts. Dieser verfluchte Westwind scheint ewig dauern zu wollen. Ungläubig lausche ich den Erzählungen Pikes und Mellaires, wenn sie berichten, daß es sogar Zeiten gegeben hat, da auch unter diesen Breitengraden Ostwinde wehten. Ich würde mich durchaus nicht wundern, wenn Kapitän West sich entschlösse, umzudrehen und ostwärts nach Seattle zu gehen. Aber Margaret lächelt vertrauensvoll und erklärt, ihr Vater werde Kap Hoorn umsegeln und den fünfzigsten Grad im Stillen Ozean erreichen.
    Aber was kümmert mich das ganze Wüten und Schäumen dieses eisgrauen Meeres an der äußersten Spitze der Welt! Ich habe Margaret gesagt, daß ich sie liebe. Wir standen hinter dem Windschutz und hielten uns aneinander fest, um nicht umzufallen. Ihr Gesicht trug die Frische und Klarheit, die der Sturm ihr geschenkt hatte. Und sie war ganz stolz – aber doch leuchteten ihre Augen so sanft und warm, und ihre Lider zitterten leise in mädchenhafter, weiblicher Scham. Es war ein großer Augenblick – unser großer Augenblick!
    Wir armen Teufel von Männern sind am glücklichsten, wenn wir lieben und geliebt werden. Bitter und traurig muß das Schicksal eines Mannes sein, der liebt, ohne wiedergeliebt zu werden! Denn seht, wenn Margaret… nun, wenn sie eine der süßen und banalen Frauen wäre, die nur zum Kosen und zur Flucht in die starken Arme des Mannes geboren sind, ja, dann wäre es weder seltsam noch wunderbar, daß sie mich liebt. Aber Margaret ist stark, selbstbewußt, besonnen und beherrscht. Und darin besteht ja das Wunder: daß eine solche Frau mich liebt! Ich gehe allein auf der eisigen Kampanje auf und ab, singe mit leiser Stimme dem Sturm meinen Trotz entgegen und erzähle der tobenden See, daß ich liebe. Ich sende den Albatrossen, die droben in der Dunkelheit kreisen, die geheime Botschaft, daß ich liebe. Und ich betrachte die jämmerlichen Matrosen,

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