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Meuterei auf der Elsinore

Meuterei auf der Elsinore

Titel: Meuterei auf der Elsinore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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wußte, daß er nicht recht haben konnte. War es doch nicht der Kapitän, sondern der Diener, der auf den Irrwegen der Schwäche wandelte. Ich mußte lachen, daß ich so töricht gewesen war, mich auch nur einen Augenblick zu beunruhigen, und ging wieder nach unten, sehr zufrieden, daß ich meine Geliebte jetzt treffen sollte, und völlig beruhigt bei dem Gedanken an die Weisheit ihres Vaters.
    Beim Mittagessen war Pike sehr unaufmerksam. Er beteiligte sich nicht an der Unterhaltung und schien fortwährend auf etwas draußen zu lauschen. Um acht Uhr ging er wieder an Deck, wo er die Wache bis Mitternacht hatte. Dann ging ich zu Bett und ließ all meine Ängste und Ahnungen fahren.
    Ich schlief schnell ein und wachte erst gegen Mitternacht auf. Ich hörte, wie die Wachen sich ablösten, und war schon ganz wach und las bereits, als Pike die Treppe vom Kartenhaus herunterkam und an meiner offenen Kabinentür vorbeiging. Es folgte eine kleine Pause, von der ich aus langer Erfahrung wußte, daß er sie zum Zigarettenrollen benutzte. Dann hörte ich ihn husten, wie er immer tat, wenn er sich die Zigarette angesteckt hatte und die ersten Züge seine Lunge mit dem Rauch füllten.
    Eine Viertelstunde später, mitten im Lesen, hörte ich Pike über die Diele gehen. Ich warf einen verstohlenen Blick über den Hand meines Buches hinweg und sah, daß er seine Seestiefel anhatte und Ölrock und Südwester trug. Es war seine Freiwache, und er hatte nur sehr wenig geschlafen. Und dennoch ging er jetzt an Deck!
    - Ich las und wartete eine ganze Stunde, aber er kehrte nicht zurück. Und ich wußte jetzt, daß er irgendwo dort oben stand und in die stürmische Finsternis starrte. Ich zog schnell meine ganze schwere Sturmausrüstung von Seestiefeln und Südwester bis zum Schafpelz unter dem Ölrock an. Als ich den Fuß der Treppe erreicht hatte, sah ich, daß bei Margaret noch Licht brannte. Ich guckte zu ihr hinein sie läßt ihre Tür wegen der Ventilation nachts immer offenstehen und sah, daß sie las.
    »Ich kann nicht schlafen«, sagte sie.
    Ich glaube nicht, daß sie Befürchtungen hegte. Sie konnte einfach nicht schlafen – wenn man auch nicht wissen kann, wie die Ängste des Steuermanns in ihr Unterbewußtsein gedrungen sein mochten.
    Als ich die Treppe hinauf gestiegen war und durch den engen Gang nach der Tür des Kartenhauses ging, warf ich einen Blick in den Warteraum. Auf der Bank lag Kapitän West – auf dem Rücken, den Kopf zu hoch, jedenfalls für meine Empfindung. Er schlief, der Raum war warm, und er lag ohne Decke, sonst aber angekleidet – jedoch hatte er weder Ölzeug noch Seestiefel an. Er atmete ruhig und regelmäßig, die Furchen in seinem asketischen Gesicht schienen im Licht der tief herabgedrehten Lampe schwächer als sonst. Dieser eine Blick gab mir all meine Sicherheit und all meinen Glauben an seine Weisheit wieder.
    Unter dem Wetterschutz an der Brüstung der Kampanje traf ich Mellaire. Er war ganz ruhig. »Der Sturm flaut ab«, erzählte er mir und wies auf einen Streifen des sternenbedeckten Himmels, der hinter der Wolkendecke erschien.
    Aber wo war Pike? Wußte der Untersteuermann überhaupt, daß er an Deck war? Ich begann Mellaire auszuhorchen, während wir zusammen über die schlingernde Kampanje nach dem Steuerhaus gingen. Ich erzählte ihm, wie schwer es mir wurde, bei stürmischem Wetter einzuschlafen, stellte fest, daß die heftigen Bewegungen des Schiffes mich nervös und schlaflos machten, und fragte schließlich, ob das schlechte Wetter auch die Offiziere am Schlafen hinderte.
    »Wir schlafen gut, Herr Pathurst«, lachte der Untersteuermann. »Je härter das Wetter ist und je größere Anforderungen es an uns stellt, desto tiefer ist unser Schlaf. Ich meinerseits bin wie tot, sobald ich den Kopf auf mein Kissen lege. Pike braucht nur etwas mehr Zeit, weil er immer noch eine Zigarette raucht. Aber er zieht sich dabei aus, so daß er auch nur wenige Minuten braucht, bis er wie ein Toter daliegt. Ich halte jede Wette, daß er sich seit zehn Minuten nach zwölf nicht bewegt hat.«
    Der Untersteuermann hatte also keine Ahnung, daß Pike an Deck war. Um meiner Sache ganz sicher zu werden, ging ich nach unten. Seine Koje war leer. Als ich auf die Kampanje zurückkehrte, stieß ich auf den überraschten Mellaire.
    »Ich dachte, Sie schliefen schon?« rügte er.
    »Ich bin zu unruhig«, erklärte ich. »Ich habe gelesen, bis meine Augen ganz müde waren, und jetzt versuche ich es damit, mich

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