Mia
Katis Begeisterung. Sie war, zumindest offiziell, Mias einzige lesbische Mitschülerin. Sie hatten sich zufällig auf einer Homoparty getroffen und dann erfreut festgestellt, dass sie in einem Jahrgang waren. Beide hatten in der Schule keine Probleme beim Coming-out gehabt, niemand aus dem Jahrgang war ihnen feindlich gesinnt und kaum jemand hatte blöde Sprüche gemacht.
Sie hatten sich nebeneinander gesetzt, und alle dachten, die beiden würden früher oder später ein Paar werden. Mia und Kati waren allerdings anderer Meinung. Sie waren einfach beste Freundinnen geworden, und alle waren zufrieden.
Weil alle wussten, dass Mia und Kati lesbisch waren, wusste es natürlich auch Frau Vogt. Sie hatte nichts dazu gesagt und sich auch die kumpelhaften Sprüche verkniffen, die einige andere Lehrer auf Lager hatten, die meinten, sie müssten vor lauter Toleranz und politischer Korrektheit besonders freundlich und unverkrampft mit ihnen umgehen.
Mia war dankbar, dass es Frau Vogt überhaupt nicht zu interessieren schien, was das Liebesleben ihrer Schülerinnen machte. Wenn sie gewusst hätte, dass sie inzwischen der absolute Mittelpunkt ihrer Gedanken und Gefühle war . . .
Mia war schon wieder ganz in den Anblick ihrer Lehrerin vertieft. Dieser Hals! Diese Schultern! Frau Vogt trug ein enges Hemd, dessen obere zwei Knöpfe geöffnet waren. Mia starrte auf den Ausschnitt und schluckte. Wenn sie nur einmal im Leben ihre Brüste sehen dürfte! Ihr wurde bewusst, wie erregt sie war. Als sie ihren Blick wieder auf Frau Vogts Gesicht richtete, traf sie ein knallharter Blick. Erwischt , dachte Mia. Ihre Lehrerin sah jetzt wütend aus. Mia hatte augenblicklich ein schlechtes Gewissen. Sie wusste, wie nervös und sauer sie selbst werden konnte, wenn sie angestarrt wurde. Entschuldigend grinste sie und wandte schließlich die Augen ab.
Kati schaute sie an. »Hast du diese Titten gesehen?« fragte sie aufgeregt.
»Ja«, sagte Mia. Den Rest der Stunde schaute sie verkrampft in Richtung Fernseher. Sie war erleichtert, als bald darauf das erlösende Klingeln ertönte. So schnell sie konnte lief sie aus dem Raum.
Kati kam kaum hinterher. »Was ist eigentlich mit dir los?« fragte sie irritiert.
Mia zog sie hinter sich her in eine ruhige Ecke. »Kati, ich werd’ noch wahnsinnig.« Sie erzählte Kati alles. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie das vermieden, da sie diese Gefühle erst mal ganz für sich allein genießen wollte. Jetzt aber war ihr das nicht mehr möglich. Sie brauchte jemanden zum Reden. Immer noch fühlte sie sich schuldig, weil sie Frau Vogt verunsichert hatte, vielleicht sogar verärgert. Fast die ganze Pause redete sie auf Kati ein, die mit großen Augen und offenem Mund zuhörte. Als Mia fertig war, wünschte sie sich, dass ihr jemand einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf schütten möge, damit sie ihrer Erregung Herr werden konnte.
Kati sagte erst einmal gar nichts, dann irgendwann nur: »Wow!«
»Ist das alles, was dir einfällt? Was soll ich denn jetzt machen? Du musst mir helfen, ich kann bald nicht mehr!«
Kati schlug vor, ihren Freund Chris zu fragen, der meist einen Masterplan in der Hinterhand hatte.
Mia lehnte ab. »Das bleibt unter uns, okay? Frauensache. Das hier ist verdammt ernst. Chris ist wirklich fehl am Platz mit seinen Sprüchen.«
Kati dachte nach. »Willst du es ihr sagen?« fragte sie dann.
»Waas? Hast du ’n Knall? Meinst du, ich mach’ mich vor dieser Frau zum Horst? Ich bin doch nicht verrückt!« rief Mia entsetzt.
»Doch, bist du. Schau mal in den Spiegel. Du siehst aus wie ein Zombie! Von allein geht das nicht wieder weg, Mia. Du musst mit ihr reden, wenn du wirklich was von ihr willst. Bist du dir überhaupt sicher? Ich meine, dass du mit ihr vögeln willst, ist eine Sache . . .«
Mia sah ihre Freundin wütend an.
»Aber willst du echt mehr von ihr? So ’ne richtige Affäre mit allem drum und dran? Und alles heimlich? Die fliegt doch sofort raus, wenn sie was mit ’ner Schülerin anfängt. Hast du da mal drüber nachgedacht?« Kati schaute sehr ernst.
»Ich weiß selbst, dass das nicht geht, aber ich kann nun mal nicht aufhören, an Frau Vogt zu denken.«
Mia glaubte nicht daran. Das schaffe ich nie im Leben , dachte sie.
Es klingelte. Auf dem Weg zum Erdkunderaum begegneten sie Frau Vogt. Sie kam auf die beiden zu und fragte Mia provozierend: »Und, wie hat Ihnen der Film gefallen?«
Mia starrte sie an. Welcher Film? Sie hatte keine Sekunde davon mitbekommen
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