Mia
und keinen Schimmer, was da überhaupt gelaufen war. Sie räusperte sich und sah ihr in die Augen. »Och, äh . . . ganz gut. Die . . . äh . . . die . . . Hauptdarstellerin da, die . . . war ja ganz überzeugend . . . irgendwie. Also, find’ ich.« Der Blick, den sie Kati zuwarf, war ein einziger Hilfeschrei.
»Katja Riemann meinst du. Ja, die ist wirklich klasse. Aber das Buch war natürlich besser«, sagte sie freundlich zu Frau Vogt.
Die Lehrerin sah Mia noch einmal intensiv an und ging mit einem »Tja dann, bis morgen« in Richtung Toilette. Mia starrte ihr hinterher. Oh Gott, dieser Arsch. Sie konnte sich kaum zusammenreißen.
Lakonisch fragte Kati: »Brauchst du neue Unterwäsche?«
Genau das , dachte Mia. Noch nie hatte sie eine Frau so scharf gemacht. Sie wollte nur hinterher.
Kati zog an ihrem Ärmel. »Komm schon, wir haben Erde. Ich freue mich schon so wahnsinnig auf das Referat über Armenien.« Sie grinste Mia an. »Du könntest ihr ja auch einen Brief schreiben«, fügte sie hinzu.
»Was denn für’n Brief?«
Kati baute sich mit theatralischem Gesichtsausdruck vor ihr auf. »Geliebte Frau Vogt!« formulierte sie fröhlich. »›Immer, wenn ich Sie sehe, werde ich feucht. Könnten Sie mich bitte bald erlösen, damit ich nicht irgendwann wegschwimme?‹ So was in der Art dachte ich. Ein Liebesbrief halt. Jetzt komm. Armenien ruft!« Sie grinste.
Mia wurde wütend. »Verarsch mich nicht, das ist nicht lustig, verdammt!!« Kati legte den Arm um ihre Freundin und zog sie mit sich.
Neben dem Hausmeistertresen verkauften die Kleinen die neueste Ausgabe der Schülerzeitung. Kati nahm sich eine und zahlte. Sie blätterte im Inhaltsverzeichnis, begann plötzlich laut zu lachen und drückte Mia das Heft in die Hand. »Seite 18«, sagte sie grinsend.
Mia blätterte. Da war sie. »Exklusivinterview mit unserer Neuen. Frau Vogt steht Rede und Antwort«, las sie. Neben dem Text gab es zwei Fotos. Ein größeres von ihrem Gesicht und ein kleines, auf dem sie auf einem Motorrad saß und lachte. Mia starrte auf die Zeitung, dann blickte sie Kati an.
»So ’n Zufall, was? Meinste, die steht überhaupt auf Frauen?« fragte ihre Freundin fröhlich.
Mia sah wieder auf die Fotos. Sie nickte und sagte leise: »Wenn es irgendwo da oben einen gerechten Gott gibt, dann kann sie nur auf Frauen stehen. Er würde nicht zulassen, dass diese unglaubliche, perfekte, absolut wunderbare Person sich an Männer verschwendet.« Sie starrte weiter auf die Bilder.
»Gar nicht schlecht getroffen, was?«
Oh Gott, diese Stimme! Mia drehte sich um. Direkt vor ihr stand Frau Vogt und zeigte auf die Zeitung. Sie lächelte sie an. Mia wäre fast gestorben. Nur zwanzig Zentimeter entfernt dieser Mund. Diese Augen. Mia nickte.
Die Lehrerin sah sie jetzt etwas besorgt an und trat einen Schritt zurück. »Ihnen geht’s nicht gut, oder?«
Mia sah sich hilfesuchend nach Kati um, die aber schon in Richtung Armenien verschwunden war. »Doch, doch. Alles okay.«
Frau Vogt betrachtete sie skeptisch. »Ich habe das Gefühl, dass Sie seit ein paar Tagen gar nicht mehr bei der Sache sind. Als ob Sie Sorgen hätten.«
Mia sagte nichts. Ihr Sprachzentrum war gelähmt. Sie wollte gern ein fröhliches »Nein, mir geht’s gut« erwidern, aber es kam nichts aus ihrem Mund als »Nnn!«
Ihre Lehrerin schien nun ernsthaft besorgt. Sie nahm Mia beim Arm und sagte: »Setzen Sie sich mal da auf den Stuhl.«
Oh Gott, sie fasst mich an! dachte Mia.
In der Sitzecke drückte Frau Vogt sie in einen Sessel und setzte sich ebenfalls. »Irgendwas ist mit Ihnen, das sehe ich doch.« Jetzt legte sie ihre Hand auf Mias Stirn, dann auf ihre Wange. »Fieber haben Sie nicht.«
Mia war kurz vorm Hyperventilieren. Sie war überzeugt, sie könne keine Minute weiterleben, wenn sie jetzt nicht augenblicklich diese Frau an sich riss und sie küßte. Sie war inzwischen so scharf auf sie, dass sie stoßweise atmete und das Gesicht ihrer Lehrerin vor ihren Augen verschwamm. Ruhig , dachte sie. Verdammt noch mal, beruhige dich . Es ging nicht. Ruckartig stand sie auf und taumelte ein Stück vorwärts auf Frau Vogt zu, die sie auffing. Oh mein Gott , dachte Mia, sie hält mich fest .
»Mia!« Die Lehrerin fasste sie jetzt an den Schultern.
»Alles klar. Kreislauf. Schon wieder besser«, brachte Mia hervor.
»Haben Sie so was öfter?« fragte die Lehrerin beunruhigt.
»Nein«, antwortete Mia. »Nur jetzt.«
»Gehen Sie am besten nach Hause und legen
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