Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt
gläubiger Moslem hat fünf Pflichten: Er muss das Glaubensbekenntnis ablegen, fünfmal am Tag beten, den Fastenmonat Ramadan einhalten, mindestens einmal im Leben eine Pilgerfahrt nach Mekka unternehmen und den Armen und Bedürftigen Almosen geben. Also jeder Moslem, der es sich leisten kann, schlachtet am Ende des Ramadan, dem Bayram , ein Schaf und gibt es den Bedürftigen. Da unsere Familie zu den Armen in unserem Dorf gehörte, haben auch wir an Bayram immer Fleisch bekommen. Das war nicht besonders viel, aber für ein paar Wochen hat es gereicht. Meine anne hat es in kleine Portionen aufgeteilt, gedünstet und getrocknet, so dass es länger hielt. Einen Kühlschrank kannten wir damals noch nicht. So kamen wir wenigstens hin und wieder in den Genuss von Fleisch. Das war natürlich nie ein ganzes Stück für eine Person, sondern immer nur ein wenig, mehr um dem Gemüse einen kräftigeren Geschmack zu geben.
Das Ende des Fastenmonats war sowieso etwas Besonderes. Man feierte drei Tage lang, besuchte sich gegenseitig, und die Kinder bekamen Geschenke, wenn man es sich leisten konnte. In den meisten Familien gab es auch neue Kleider. Aber nicht bei uns, wir waren zu arm. Wenn Geld übrig war, was selten genug vorkam, fuhr der Vater in die Stadt und hat für sich eine neue Hose oder ein Jackett gekauft. Manchmal hat er auch für Mutter einen neuen Pullover mitgebracht, aber öfter kam er mit Stoff nach Hause. Daraus konnte anne für sich einen Rock oder für uns Kinder eine Hose nähen. Neue Kleidung bekamen wir so gut wie nie. Dafür reiche das Geld nicht, hat er gesagt.
Fleisch war also Mangelware bei uns. Wir haben uns hauptsächlich von Gemüse, Bulgur, Eiern, Käse und Brot ernährt. Morgens, wenn wir aufstanden, gab es immer eine Suppe. Bohnen-, Linsen-, Mais-, Nudel- oder Kartoffelsuppe. Meine anne ist eine sehr gute Köchin, und sie hat es immer verstanden, ausNichts etwas zu zaubern. Morgens gab’s also Suppe. Das war köstlich, im Zimmer war es noch ziemlich kalt, und die warme Suppe wärmte den Bauch. Dazu aßen wir Brot. Das mochte ich sowieso am liebsten. Meine Mutter hat wie alle anderen Frauen im Dorf das Brot selber gebacken. Es waren immer zwei, drei Nachbarinnen, mit denen zusammen anne Brot buk. Jede bereitete zu Hause den Teig vor: Auf einem großen, hölzernen Brett wurde Mehl mit Hefe und Wasser vermischt, zu einem weichen Teig geknetet und anschließend in kleine Laibe geformt. Diese deckten die Frauen dann mit einem Tuch zu, damit sie noch »gehen« konnten. Währenddessen ging anne zu unserem Backhäuschen am Ende der Straße, das war ein großer Steinofen, der mit Holz beheizt wurde. Davon gab es damals in unserem Dorf in jeder Straße einen. Denn das Brot beim Bäcker kaufen, das konnte sich damals niemand leisten.
Also hat meine anne mindestens einmal in der Woche Brot gebacken. Nachdem der Teig geknetet und geformt war, nahm sie Reisig und dünnere Äste mit zum Backhäuschen und entzündete darin ein Feuer. Während eine der Frauen sich um das Feuer kümmerte, machte die andere die Teige fertig. Auf dem Boden vor dem Ofen breitete sie ein Tuch aus, legte ein Backbrett darauf, streute Mehl aus und knetete den Teig aufs Neue. Schließlich zog sie die runden Teigteile in die Länge und Breite und formte ein tellergroßes Stück, in der Mitte machte sie ein Loch. Inzwischen brannte das Feuer lichterloh, und der Ofen war sehr heiß geworden. Das brennende Holz wurde seitlich an den Rand geschoben, und nach und nach legte man die Brotlaibe hinein. Nach etwa fünf, sechs Minuten war die Köstlichkeit fertig. Meine anne holte das fertige Brot mit einem großen Holzschieber aus dem Ofen und legte es zum Abkühlen auf ein Gestell. Ein köstlicher Duft verbreitete sich um das Backhäuschen. Oft schlich ich hungrig herum, aber auch ich musste immer bis zum Abendessen warten, denn erst dann gab es die Köstlichkeit zur Suppe oder auch zu Käse und Tomaten.
Einmal, es war im Sommer, ich muss sieben oder acht gewesensein, hatte die Mutter wieder frisches Brot gebacken und ins Haus gebracht. Danach war sie aufs Feld gegangen. Aus irgendeinem Grund kam ich kurze Zeit später ins Haus und roch das frischgebackene Brot. Gierig riss ich mir eine Ecke ab und beschmierte sie mit Butter. Gerade als ich reinbeißen wollte, hörte ich auf der Treppe meinen Vater. Ich war wie erstarrt und überlegte panisch, was jetzt zu tun sei. Kurz entschlossen warf ich das Brot aus dem Fenster und gab vor, etwas zu
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