Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt
auf dem Boden und aßen aus einem Teller. Aber jeder von uns hatte einen Löffel. Vater bekam immer die größte Portion, obwohl wir noch klein waren und wachsen mussten. Das interessierte ihn aber nicht. Anne versuchte zwar, uns satt zu bekommen, aber das war nicht immer der Fall. Oft sind wir mit knurrendem Magen ins Bett gegangen.
Wir schliefen alle im gleichen Raum. Meine Eltern hatten ihr Ehebett in der einen Ecke, in der Nähe des Ofens, aufgestellt, und wirgroßen Kinder schliefen auf einer Matratze in der anderen Ecke. Hanife, meine kleine Schwester, durfte im Bett meiner Eltern schlafen. Abi und ich schliefen also auf der gleichen Matratze. Das war alles andere als bequem, weil sie nur neunzig Zentimeter breit war. Damit wir überhaupt einigermaßen schlafen konnten, legte sich Bekir ans Kopf- und ich ans Fußende. Aber wenigstens froren wir nicht.
Die Matratzen und Bettdecken machte meine Mutter selbst. Das war ein langwieriges und arbeitsintensives Unterfangen. Die Schafwolle musste drei-, viermal gewaschen werden, bevor sie verarbeitet werden konnte. Das ging eigentlich nur im Sommer, denn dann konnte man das gewaschene Schaffell zum Trocknen auf der Wiese ausbreiten. Danach musste Mutter die Wolle in Schichten legen und mit dem Stoff so vernähen, dass sie sich nicht verschob und später auch waschen ließ. Wie alle anderen Aufgaben im Haus erledigte meine anne auch diese Arbeit perfekt. Sie wob sogar unsere Teppiche selbst. Auch das ging aber nur im Sommer, weil sie dazu viel Platz benötigte. Es gab einen etwa zwei Meter breiten Webstuhl, den sie draußen im Garten aufbaute. Dann spannte sie die verschiedenen bunten Baumwollfäden ein und verwob die kräftigen Blau-, Rot-, Grün- oder Gelbtöne zu einem leuchtenden Flickenteppich. War eine Rolle fertig, hatte sie zwischen fünfzig bis hundert Meter hochwertigen Baumwollteppich zur Verfügung.
Wozu man so viel Teppich braucht? Nun, wir lebten zwar lange Zeit sehr beengt in einem Raum, und das wäre wohl auch ein Leben lang so weitergegangen. Aber dann hatten wir ein bisschen Glück. Meine Mutter bekam von ihren Eltern ein Grundstück geschenkt, eines der wenigen Besitztümer meiner Großeltern. Das muss irgendwann Anfang der siebziger Jahre gewesen sein. Eines Tages jedenfalls fing mein Vater ganz in der Nähe unseres kleinen Lehmhauses an, ein neues Haus zu bauen. Ziegel auf Ziegel setzte er, und bald standen die Grundmauern. Wir Kinder verfolgten die Bauarbeiten heimlich. Denn Vater hätte uns nie erlaubt zuzugucken, wir mussten schließlich arbeiten.
Allmählich war auch für uns erkennbar, wie es werden sollte – ein Geschoss mit vier Zimmern, Toilette und Bad. Das war zur damaligen Zeit der reinste Luxus. Denn bis dahin hatten alle im Dorf ein Plumpsklo in einem separaten Verschlag abseits vom Wohnhaus. Das war besonders nachts und im Winter unangenehm, wenn man in die Kälte hinaus musste, um auf die Toilette zu gehen. Das habe ich mir deshalb meistens verkniffen, auch weil ich im Dunkeln Angst hatte.
Nach einigen Jahren Bauzeit war es dann endlich so weit, und wir konnten umziehen. Wir hatten uns wirklich verbessert. Denn statt einem Zimmer gab es jetzt zwei. Eigentlich bestand unser neues Haus zwar aus vier Zimmern, aber meinem Vater war das Geld ausgegangen. Er hatte nur zwei Räume fertig stellen können. Die anderen beiden wurden nie vollendet. Bis zum Abriss viele Jahre später blieben sie unbewohnt und dienten letztlich als Abstellkammern, in denen Mutter Lebensmittel und Obst aufbewahrte. Im neuen Haus schliefen wir Kinder in einem Raum, meine Eltern schliefen auch hier wieder in der Küche.
Obwohl wir jetzt mehr Platz hatten, spielte sich immer noch alles in der Küche ab. Wann immer wir Besuch hatten, und das war oft, weil sich bei uns die Leute ständig besuchen, hielt man sich dort auf. Nur bei besonderen Anlässen wichen wir auf die gute Stube, unser Zimmer, aus. Wir hatten inzwischen auch ein paar Stühle. Dann gab es noch eine Art Sofa, das war eine schmales Bett mit Sitzkissen am Rücken, und – nicht zu vergessen – das Bett meiner Eltern. Das war breiter, und meine anne rollte jeden Morgen die Bettdecke zusammen, legte eine bunte Wolldecke drauf, so dass man dort prima sitzen und sich anlehnen konnte. Die Wände waren mit Teppichen bespannt, die meisten davon mit Tieren bestickt. An einer Wand stand ein Tisch, darauf hatte anne einen Gaskocher gestellt. Damit kochte sie im Sommer. Im Winter kochte sie im offenen
Weitere Kostenlose Bücher