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Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt

Titel: Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayse
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Ankunft das deutsche Mischbrot kennen und lieben gelernt. Besonders die knusprige Kruste mochte ich. Immer wenn es frisches Brot gab, schnitt ich als Erstes die Kante ab und bestrich sie mit Butter. Das war köstlich. Aber Mutter ärgerte das anscheinend sehr. Sie beschwerte sich, dass ich zu viel Brot essen würde und kaufte dann wochenlang keins mehr. Es gab dann wieder selbst gebackenes türkisches Brot. Das mochte ich zwar auch, aber nicht so gerne.
    Unser Speiseplan war, wie gesagt, sehr eintönig. Wenn ich mich heute daran erinnere, so schien er hauptsächlich aus Eiern und Käse und Fleisch und Bohnen zu bestehen. Das habe ich lange nicht verstanden. Aber irgendwann kam ich dahinter: Meine Schwiegermutter war extrem geizig und hat sich jeden Pfennig vom Mund abgespart. Zum Einkaufen zum Beispiel hat sie michnie mitgenommen. Obwohl sie immer jemanden brauchte, der ihr beim Tragen half. Aber sie ist immer mit Mustafa oder Vater zum Einkaufen gegangen. Jeden Freitag oder Samstag sind sie zu zweit oder zu dritt in den Ort gelaufen. Dort gab es damals einen großen Supermarkt, in dem sie für die ganze Woche einkauften. Aber sie besorgte immer nur das Einfachste und Billigste. Abgepacktes Mischbrot, H-Milch, Scheibenkäse, abgepackte Wurst. Ich hatte damals überhaupt keine Ahnung. Wusste nicht, was es hier alles zu kaufen gab, oder was die Deutschen aßen. Auch, dass es in der Stadt richtige türkische Geschäfte gab, wo man Lebensmittel von zu Hause bekam, war mir nicht bekannt.
     
    Trotz Heimweh und der schlechten Stimmung, die seit jenem Morgen im August bei uns herrschte, hatte ich mich einigermaßen eingelebt. Vielleicht lag es daran, dass ich jeden Tag vierzehn bis sechzehn Stunden arbeiten musste und keine Zeit zum Nachdenken oder Trübsal blasen hatte. Mustafa sah ich nur morgens oder abends bzw. nachts im Bett. Inzwischen hatte ich mich sogar an den Sex gewöhnt, obwohl er nie zärtlich war. Manchmal glaube ich, ich wollte ihn damals einfach lieben. Er war schließlich mein Mann, den musste man doch lieben, oder? Wenn ich ihm zu Willen war und mit ihm schlief, wann und wie oft er wollte, war alles in Ordnung. Schwierig wurde es, wenn ich zu müde war oder keine Lust hatte. Dann schnaubte er vor Wut und verprügelte mich. Oft bin ich deshalb mit blauen Flecken und Prellungen herumgelaufen. Und häufig hatte ich am nächsten Tag Schmerzen von den Schlägen, die er mir in der Nacht davor verabreicht hatte.
    Aber ich wollte ihm eine gute Ehefrau sein. Dass ein Mann seine Frau schlägt, war ja nichts Neues. Jahrelang hatte ich hautnah miterlebt, wie meine Mutter von Vater verprügelt wurde. Schläge vom Ehemann waren für mich also ganz normal. Freilich träumte ich manchmal von einem liebevollen Ehemann und einer glücklichen Ehe, aber ich hatte keine genauen Vorstellungen davon. Mein Schwiegervater hat Mutter zwar nicht geschlagen,aber ein besonders liebevolles Verhältnis hatten die beiden auch nicht. Früher, als Mustafa und ich noch verlobt waren, war es anders gewesen. Er war zärtlich, hatte meine Hand gehalten und mich geküsst. Warum machte er das jetzt nicht mehr? Ich setzte alles daran, um das zu ändern. So fing ich zum Beispiel an, Mustafa vom Bahnhof abzuholen. Er musste ja einmal in der Woche in die Berufsschule nach München fahren und kam meistens gegen vier, halb fünf zurück. Also habe ich meine Schwiegermutter gefragt, ob ich ihn abholen dürfe. Ich weiß nicht genau, warum sie es erlaubt hat. Es war jedenfalls so. Ich durfte die Arbeit unterbrechen und meinem Mann entgegengehen. Wo der Bahnhof war, wusste ich inzwischen. Also beeilte ich mich, um rechtzeitig vor der Ankunft des Zuges dort anzukommen.
    Beim ersten Mal war ich ganz aufgeregt. Da kam er. Ich lief auf ihn zu und begrüßte ihn freudig. Er brummte ein halbherziges »merhaba« und lief weiter. Ich beschleunigte meinen Schritt, um ihm nachzukommen. Dann fasste ich ihn an der Hand. Aber Mustafa war das gar nicht Recht. Ungeduldig schüttelte er meine Hand ab und lief noch schneller, und ich hinter ihm her. Aber er war größer als ich und hatte längere Beine. Irgendwie hatte ich keine Chance. Da er am Schluss fast rannte, war er viel schneller zu Hause als ich. Mutter hat das, glaube ich, gefreut. Sie war ihm wohl überhaupt eine schlechte Beraterin. Denn sie muss ihm gesagt haben, dass eine Ehefrau am besten mit Schlägen zu bändigen sei. Wobei ich ja alles andere als rebellisch war. Aber verprügelt hat er mich trotzdem

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