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Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt

Titel: Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayse
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Er berichtete ihr, dass er mir die Unschuld geraubt hat und kein anderer Mann. Dass es eine Vergewaltigung war, hat er ihr – natürlich – nicht erzählt. Aber das wäre wohl auch zu viel verlangt gewesen. Mit seinem Geständnis waren die Zweifel an meiner Ehre ausgeräumt – offiziell zumindest. Ich durfte in Deutschland bleiben, musste nicht wieder zurück in die Türkei.
    Aber seit jenem Tag schien dennoch etwas zerbrochen zu sein. Obwohl sie die Wahrheit gehört hatte, konnte (oder wollte?) sie mir nicht glauben. Sie fing an, mich zu hassen. Nie wieder nannte sie mich kız , selten fand sie ein freundliches Wort für mich. Auch bei meinem Namen nannte sie mich nicht mehr. Statt Ayşe hieß ich bei ihr jetzt meistens atgötü , was so viel wie Pferdearsch heißt. Mit ihrer offenen Ablehnung kam ich schlecht zurecht. Ich hatte doch nichts Unrechtes getan. Außerdem mochte ich sie ja. Ja, auf irgendeine Weise liebte ich sie sogar. Sie war doch jetzt wie eine Mutter für mich. Aber sie betrachtete mich nicht mehr als ihre Tochter. Ich war nur noch die kleine, billige Hure, die man von früh bis spät schuften lassen konnte.
    Irgendwann gegen Mittag kam Mustafa und holte mich. Die anderen saßen schon beim Essen am Tisch. Als ich die Küche betrat, waren alle still. Ich setzte mich an meinen Platz und würgte ein paar Bissen hinunter, obwohl ich keinen Appetit hatte. Mustafa schaute mich manchmal von der Seite an. Aber was genau seine Blicke bedeuten sollten, konnte ich nicht ausmachen. Nachdem Essen räumte ich den Tisch ab und spülte das Geschirr. Als ich fertig war, setzte ich mich an den Tisch zu meiner Schwiegermutter und arbeitete stumm neben ihr her. Ich bemühte mich, die kleinen Schalter im gleichen Tempo wie sie zu montieren. Es gelang mir auch immer besser. Vor dem Abendessen hatten wir eine neue Kabelrolle angefangen, und gegen Mitternacht waren wir damit fertig. Obwohl ich todmüde war – ich hatte in der Nacht davor ja kaum geschlafen –, räumte ich noch auf. Dabei fiel mir auf, dass alle unsere Geschenke in einer Ecke im anderen Raum gestapelt waren. Ob wir die wohl in die andere Wohnung bringen durften? Aber zu fragen traute ich mich nicht.
    Es war schon halb eins, als ich endlich zu Hause war. Heilfroh, dass dieser Tag vorbei war, ging ich in meine neue Wohnung. Irgendwie freute ich mich sogar. Das war nun mein Reich, wenigstens hier würde ich meine Ruhe haben. Da sollte ich mich aber getäuscht haben. Kaum hatte ich den Schlüssel rumgedreht, schlug Mustafa seine Augen auf. »Da bist du ja endlich«, knurrte er.
    Ich begrüßte ihn mit einem kurzen »merhaba« und zog mich aus.
    Er beobachtete mich aus den Augenwinkeln, wie ich meine Sachen auf den einzigen Stuhl in der Wohnung legte. Als ich in der Unterhose dastand und meinen Schlafanzug anziehen wollte, zog er mich aufs Bett. ›Nicht schon wieder‹, dachte ich noch, aber da hatte er mich schon überwältigt. Nein, er küsste mich nicht, und gestreichelt hat er mich auch nicht. Wie vor zwei Wochen warf er sich auf mich und drang ohne viel Aufhebens in mich ein. Er rammelte mich wie ein Tier. Leblos lag ich da und ließ es geschehen. Als er fertig war, rollte er keuchend von mir herunter und drehte sich zur Seite. Wieder hatte er mich vergewaltigt. Nur diesmal war es offiziell erlaubt.
    Morgens musste ich immer früh aufstehen. Kam ich später als sieben Uhr in die andere Wohnung, war Mutter wütend. Seit dem Eklat wegen des Betttuchs war sie ja immer schlecht gelaunt, aber es gab auch dazu noch eine Steigerung. Dann sprachsie überhaupt nicht mit mir, und ich konnte ihr den ganzen Tag lang überhaupt nichts recht machen. Also bemühte ich mich und kam pünktlich um sieben Uhr, um Frühstück zu machen. Ich hatte meistens nicht mehr als fünf oder höchstens sechs Stunden geschlafen und war entsprechend müde. Wenn ich kam, war Vater schon weg, er musste um halb sechs aufstehen, um rechtzeitig in der Arbeit zu sein. Ich kümmerte mich also für den Rest der Familie ums Frühstück. Um halb acht standen die Kleinen auf. Mustafa kam meistens später. Aber mit ihm schimpfte sie nie. Im Gegenteil, er wurde regelrecht hofiert, egal wann er eintraf.
    Ab September wurde alles anders. Das neue Schuljahr begann, und die beiden mittleren Jungs mussten nun jeden Morgen um halb acht auf dem Weg sein, um rechtzeitig zum Unterricht zu kommen. Mustafa musste auch früher aufstehen. Anfang des Monats trat er seine Lehre an. Er wollte Maler werden und

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