Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt
regelmäßig – manchmal mit Grund, manchmal ohne. Na ja, auf jeden Fall habe ich noch eine Weile versucht, auf ihn zuzugehen, um ihm nahe zu kommen. Aber, was ich auch tat, es war alles vergeblich. Er wollte weder meine Hand halten, noch mich in den Arm nehmen, geschweige denn mich küssen. Er wollte mich nur ficken und das am liebsten jede Nacht zweimal.
Irgendwann blieb das Blut aus. Es muss im Spätherbst gewesen sein, und ich hätte längst schon meine Periode bekommen sollen.
Gut, ich wusste nicht genau, wann ich meine Blutungen hatte, aber einmal im Monat, das hatte sich inzwischen eingespielt. Außerdem war mir immer schlecht, ständig. Morgens, vor dem Frühstück, musste ich schon spucken. Mutter hat das natürlich bemerkt, und irgendwann ist sie mit mir zum Arzt gegangen. Der untersuchte zuerst sie und dann mich. Ich habe natürlich kein Wort verstanden. Aber auf dem Nachhauseweg hat sie mir erzählt – sie muss einen guten Tag gehabt haben –, dass wir beide schwanger seien. Ja, richtig! Meine Schwiegermutter und ich waren gleichzeitig schwanger. Sie sollte ihr Kind im Juli bekommen und ich meines im August. An dem Tag war ich glücklich. Ich würde ein Kind bekommen und endlich jemanden haben, der nur mir gehörte. Das war schön. Dass ich selbst fast noch ein Kind war, kam mir nicht in den Sinn.
Was Mustafa zur Schwangerschaft gesagt hat, weiß ich nicht mehr. Aber in diesen neun Monaten hat er mich weniger geschlagen, und beim Sex war er auch vorsichtiger. Vermutlich hatte ihn seine Mutter dazu angehalten. Unser Verhältnis hat sich dadurch allerdings nicht verbessert. Mustafa war nach wie vor mürrisch und schlecht gelaunt. Die Schwangerschaft verlief hingegen gut. Ich hatte nach den ersten drei Monaten keine Beschwerden mehr, und das Kind gedieh prächtig. Anders erging es jedoch meiner Schwiegermutter. Sie war damals ja immerhin schon über vierzig, und es war ihre sechste Schwangerschaft. Vielleicht lag es auch daran, dass sie zwischendrin abgetrieben hatte. Ihr jedenfalls ging es während der Schwangerschaft nie wirklich gut. Sie sah schlecht aus und fühlte sich auch so. Trotzdem sind Vater , Mustafa und ich irgendwann im April oder Mai ohne sie nach Norddeutschland gefahren. Wir wollten meinen Onkel besuchen. Ich war außer mir vor Freude, endlich, nach fast einem Jahr, würde ich jemanden aus der Familie meiner Mutter wieder sehen.
Mutter und die Kinder blieben also in München zurück, während wir uns über das Wochenende auf den Weg in den Norden machten. Wir fuhren mit dem Zug und brauchten den ganzenTag, bis wir endlich in dem kleinen Städtchen eintrafen, wo mein Onkel mittlerweile lebte. Die Freude war groß. Denn hier wohnte nicht nur der Bruder meiner Mutter mit seinen Angehörigen, sondern es lebten auch viele Freunde und Nachbarn aus unserem Dorf in dieser Stadt. Ich ging wie auf Wolken. Hier erfuhr ich endlich, wie es meiner anne und den Geschwistern ging. Und ich hörte, dass mein großer Bruder bald heiraten und auch nach Deutschland kommen würde. Ich war überglücklich und wäre am liebsten gleich dort geblieben, um auf ihn zu warten. Und prompt schlug mein Onkel vor, dass Mustafa und ich uns bei ihm in der Nähe niederlassen sollten. Aber mein Mann und auch der Schwiegervater wollten nichts davon wissen. Wir sollten bei den Schwiegereltern bleiben.
Drei Tage später waren wir wieder in München. Die Kinder waren ganz aus dem Häuschen, als wir ankamen, aber Mutter war verdächtig still und sah noch schlechter aus als sonst. Vater war beunruhigt, aber sie wiegelte es ab – es sei nichts, alles wäre in Ordnung. War es aber nicht. Sie hatte an diesem Wochenende viel gearbeitet, die ganze Wohnung geputzt, unter anderem auch die Kühltruhe. Dazu hatte sie sich wohl weit hinunterbeugen müssen, und seitdem hatte sich das Baby nicht mehr bewegt. Aber das hatte sie ignoriert. Mir fiel auf, dass ihre Lippen blau angelaufen waren, und ich drängte sie, zum Arzt zu gehen. Da ihre Vorsorge sowieso auf den nächsten Tag fiel, ging sie endlich hin. In der Praxis stellte man fest, dass das Baby tot war. Sie wurde sofort in die Notaufnahme des nächsten Krankenhauses gebracht. Das Kind war offensichtlich schon Tage davor gestorben und hatte ihren Körper langsam vergiftet. Warum es gestorben war, wusste niemand. Mutter hat den Eingriff gut überstanden, aber seelisch ging es ihr sehr schlecht. Ich glaube, sie hätte dieses Kind gerne noch gehabt. Vielleicht wäre es ja ein
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