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Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt

Titel: Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayse
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Kupplung zu schnell los, so dass das Fahrzeug stotterte, zwei Meter fuhr und abstarb. Und Mutter ? Sie saß hämisch grinsend auf dem Rücksitz und sagte: »Habe ich doch gleich gesagt, dass der Pferdearsch zu blöd ist.« Obwohl ich ihre Gemeinheiten gewöhnt war, hat mich das sehr verletzt. Ich hatte keine Lust mehr, den Führerschein zu machen. Und sie hatte ihr Ziel erreicht.
    Mutter hat die Prüfung beim zweiten Anlauf geschafft. Aber sie brauchte sehr viele Fahrstunden. Das war für mich eine gewisse Genugtuung. Danach ist sie sehr stolz gewesen und hat praktisch keinen Schritt mehr zu Fuß gemacht. Mein Schwiegervater hat übrigens bis heute keinen Führerschein. Das hat sie ihmnicht erlaubt. Vater spielte sowieso eine untergeordnete Rolle. Sie war die Chefin, und daran gab es nichts zu deuteln. Er hatte seine Arbeit in der Gärtnerei und brachte jeden Monat Geld nach Hause, das war für Mutter das Wichtigste. Nein, er war kein gelernter Gärtner. Er hatte als Gehilfe angefangen und es in den über 25 Jahren sogar zum Vorarbeiter gebracht. Er war fleißig und machte seine Arbeit gut. Bei den Kollegen in seiner Firma war er jedenfalls ziemlich beliebt.
     
    Vater war ein ruhiger Mensch, der sich auch in der Familie im Hintergrund hielt. Mit seinen Jungen ging er ab und zu mal Fußballspielen, aber Kindererziehung war ansonsten Mutters Sache. Im Haushalt half er, wie die meisten türkischen Männer, nur wenig: Er ging mit zum Einkaufen und war für unser Fleisch zuständig. Alle vier bis sechs Wochen ging er zu einem Bauern im Dorf und kaufte ein Schaf. Das trieb er dann über die Dorfstraße zu uns nach Hause. Ich glaube schon, dass er darauf achtete, dass ihn niemand sah. Denn sicher hätte man sich gefragt, was ein Türke mit einem einzelnen Schaf auf der Straße machte. Dass er es tatsächlich bei uns in der Küche schlachtete, wusste außerhalb unserer Familie niemand.
    Dort wurde das Schaf nach islamischem Brauch geschächtet. Vater hat das Tier an drei Beinen festgebunden und dann mit einem einzigen Schnitt die Halsschlagader durchtrennt. So kann das Schaf bei lebendigem Leib ausbluten, wie es vorgeschrieben ist. Deshalb wird es auch so merkwürdig festgebunden. Es soll sich noch ein bisschen bewegen, um seine letzten Lebensgeister entweichen zu lassen. Das ist eigentlich keine sehr blutige Angelegenheit. Vater hatte ja in der Türkei gelernt, wie man Schafe schächtet. Bei uns in der Wohnung hatte er immer ein paar Schüsseln parat, um das Blut des Tieres aufzufangen. Mutter half ihm dabei.
    War das Tier erst mal tot, trennte er zunächst den Kopf und dann die beiden Vorderfüße ab. Danach hängte er es an den beiden Hinterläufen auf und begann – ganz vorsichtig – das Fell abzuziehen.Das ist ziemlich schwierig, weil die Fettschicht leicht am Fell hängen bleibt. Aber das darf auf keinen Fall passieren, denn sonst fängt das Fell an zu schimmeln. Mit seinem kleinen, scharfen Messer hat Vater also das Fell vorsichtig zentimeterweise gelöst. War das geschehen, öffnete er mit einem gekonnten Schnitt den Bauch und entnahm die Gedärme. Erst danach entfernte er Leber und Lunge. Das Herz kam zum Schluss.
    Einmal, Vater war gerade dabei, ein Tier zu zerteilen, passierte ganz in der Nähe von uns, auf der Hauptstraße, ein Unfall. Es war mitten in der Nacht, und Vater und Mutter hatten den Krach von der nahen Straße nicht gehört. Erst als die Polizeisirenen ertönten, wurden sie aufmerksam. Aber da sie nicht wussten, was passiert war, dachten sie, die Polizei hätte von der Schlachtaktion Wind bekommen und käme jetzt, um dem Ganzen ein Ende zu setzen. Also fingen die beiden – zu Tode erschrocken – ganz hektisch an, das Tier bzw. die Fleischteile zu verstecken. Man wollte auf keinen Fall in flagranti erwischt werden.
    Ich habe damals von der ganzen Sache gar nichts mitbekommen, weil ich – wie so oft – nach der Arbeit in einen todesähnlichen Schlaf gefallen war. Aber am nächsten Morgen, ich wollte gerade die Waschmaschine anschalten, war ich doch ziemlich überrascht. Denn in der Maschine fand ich nicht die schmutzige Wäsche, die ich am Abend davor noch sortiert hatte, sondern rohes Fleisch. Mutter erzählte mir dann, was passiert war. Sie hatten in ihrer Panik das zerlegte Tier in der Waschtrommel versteckt. Da konnte ich mir das Lachen nicht verkneifen. Mutter fand das hingegen überhaupt nicht witzig. Wütend pfiff sie mich an und befahl mir in ihrem Feldwebelton, endlich mit dem Lachen

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