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Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt

Titel: Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayse
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Fahrrad, damit kann sie doch sowieso nicht fahren.« Aber das war mir egal. Ich musste es eben lernen. Wochenlang habe ich verbissen geübt. In jeder freien Minute bin ich runter auf die Straße gegangen und habe mir das Fahrrad genommen. Einer meiner kleinen Schwager hat mir dabei geholfen und mich gehalten, während ich in die Pedale trat. Und irgendwann ging es tatsächlich. Ich konnte fahren, alleine, ohne fremde Hilfe. Das war großartig. Ich musste nicht mehr ganz so früh aufstehen und war auch mittags schneller zu Hause. Ich habe dieses Fahrrad geliebt. Mit ihm war ich auf eine – nie gekannte – Weise wenigstens ein bisschen unabhängig.
     
    In diese Zeit fiel auch unser Umzug. Wir hatten ja seit meiner Ankunft in Deutschland zu acht bzw. neunt in ein und derselben Ein-Zimmer-Wohnung gehaust. Gut, Mustafa und ich schliefen in unserem kleinen Apartment, aber unser Leben spielte sich doch zum größten Teil bei den Schwiegereltern ab. Vielleicht war es die Geburt von Muhammed gewesen, die den Umzug beschleunigte. Ich weiß es nicht. Mutter jedenfalls teilte mir irgendwann mit, dass wir umziehen würden. Sie wollte eine gemeindeeigene Wohnung mieten. Wir könnten uns da eine größere Wohnung leisten,weil die insgesamt billiger seien, so war ihre Kalkulation. Und die Rechnung ist aufgegangen. Nach einigem Suchen fand sie tatsächlich ein Haus für die ganze Familie. Es hatte fünf Zimmer und eine Küche und würde für uns alle groß genug sein. Mustafa und ich sollten zwei eigene Zimmer bekommen.
    So kam es, dass unsere Großfamilie Ende 1981 ein altes Haus am Rand unseres Dorfes, ganz in der Nähe einer Ausfallstraße, bezog. Aber wir konnten uns nur im Erdgeschoss einrichten, weil das Obergeschoss baufällig war. Mustafa und ich hatten jetzt ein Schlafzimmer und ein eigenes Wohnzimmer, die Küche teilten wir mit den Eltern. Can schlief bei uns im Zimmer, aber das störte nicht, er war ja noch klein. Ich empfand es zwar als wohltuend, nicht mehr jeden Abend nach der Heimarbeit die Wohnung wechseln zu müssen, aber Mutters Nähe hatte auch Nachteile. Sie hatte noch mehr Kontrolle über mich. Bisher hatte ich wenigstens nachts meine Ruhe vor ihr gehabt, aber irgendwann hatte sie angefangen, einen eigenen Akkord einzuführen: In einer Stunde schaffte man gut 60 Stück. An einem Acht-Stunden-Tag kam also jede von uns auf knapp 500 Schalter. Doch wir arbeiteten oft bis nach Mitternacht, so dass wir an einem normalen Zwölf-Stunden-Tag mindestens eintausendfünfhundert Stück montierten. Das ging natürlich auf Kosten meines Schlafes. Wenn ich drei bis vier Stunden zusammenbrachte, war es viel. Morgens war ich oft so müde, dass ich in der Fabrik kaum die Augen aufhalten konnte. Meine Kollegen wussten alle Bescheid und haben mich bedauert. »Durftest du wieder nicht schlafen, Ayşe ?«, fragten sie mich, wenn ich vor Müdigkeit fast umkippte.
    Abgesehen davon, dass ich noch mehr arbeiten musste, veränderte sich wenig. Gut, wir lebten nicht mehr so beengt, und die Kinder hatten einen Garten zum Spielen, aber insgesamt blieb alles so wie bisher. Mutter war und blieb die Chefin unserer Großfamilie. Sie verwaltete das Geld, traf die Entscheidungen, ging einkaufen und schaffte an. An ihrer Autorität hat niemand gerüttelt. Auch ich nicht. Ich war damals ja noch keine zwanzigund irgendwie froh, dass ich mich um nichts außer meiner Arbeit kümmern musste. Obwohl manche Dinge anfingen, mich zu stören. Denn je länger ich hier lebte, umso mehr nahm ich wahr. Da war zum Beispiel die Sache mit dem Geld. Ich hatte ja praktisch am Tag nach meiner Ankunft angefangen zu arbeiten, aber meinen Lohn hatte ich nie gesehen. Nicht einmal Taschengeld bekam ich. Zur Arbeit nahm ich mir etwas zu essen und eine Thermoskanne Tee mit. Manchmal hätte ich mir aber gerne etwas gekauft. Ein Fischbrötchen zum Beispiel, die gab es in unserer Kantine. Ich liebe Fisch und hätte zu gern mal eines probiert, aber das konnte ich mir nicht leisten. Die paar Mark, die Mustafa mir ab und zu zusteckte, reichten gerade mal für einen Kaffee.
     
    Ähnlich ging es Hatice. Wir waren ja seit vielen Jahren Kolleginnen und mit der Zeit gute Freundinnen geworden. Und wir hatten ein ähnliches Schicksal. Auch sie sah nie einen Pfennig. Auch sie wurde von ihrem Mann regelmäßig verprügelt und – im wahrsten Sinne des Wortes – wie eine Sklavin gehalten. Sie ging ja nach der Arbeit in der Fabrik noch putzen. Abends wurde sie dann von ihrem Mann

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