Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt
Wohnung war der reinste Luxus. Balkon, Teppichboden in der ganzen Wohnung, ein großes Badezimmer und ein separates WC. Im Haus gab es sogar einen Aufzug. Jetzt hatten wir endlich zwei Kinderzimmer, ein großes Wohnzimmer und ein Schlafzimmer für Mustafa und mich. Alle Räume hatten Jalousien, und natürlich gab es eine Zentralheizung. Bisher hatte ich in jeder Wohnung den Ofen anschüren müssen, hier brauchte ich nur an einem Knopf zu drehen, und schon wurde es warm.
Es war wunderschön, aber wie sollten wir jeden Monat die Miete bezahlen? Nachts konnte ich oft nicht schlafen, weil ich nicht wusste, wie es weitergehen sollte. Mein Gehalt würde sich in der Zeit des Mutterschutzes erst einmal verringern, und den Putzjob musste ich wohl auch aufgeben. Hochschwanger und frisch entbunden, konnte man diese Arbeit nicht leisten. Mustafa machte jedoch keine Anstalten, sich eine neue Stelle zu suchen. Dann kam der Anruf meiner alten Firma. Sie hätten doch wieder Heimarbeit für mich. Wann ich kommen könnte? Überglücklich machte ich mich sofort auf den Weg und fing noch in derselben Nacht damit an. In den ersten vierzehn Tagen habe ich fast so vielwie früher geschuftet, aber das hat mir nichts ausgemacht. Immerhin habe ich in dieser Zeit 2000 DM verdient. Das reichte für die Miete und das Essen im nächsten Monat. Jetzt mussten meine Kinder wenigstens nicht verhungern.
Damals kamen auch meine Schwiegereltern. Nein, nicht um uns mit Geld auszuhelfen. Im Gegenteil, sie wollten Geld von uns. Sie hatten den Plan gefasst, eine Pilgerreise nach Mekka anzutreten. Aber der Flug nach Saudi Arabien, der Aufenthalt, all dies kostete eine Menge Geld. Also haben sie uns gefragt, ob wir ihnen ein paar Tausend Mark für die Reise geben könnten. Ich war fassungslos. Uns stand das Wasser bis zum Hals, und jetzt wollten sie auch noch Geld von uns. Verständnislos schaute ich meine Schwiegermutter an und fragte sie, wo ich das Geld hernehmen sollte. Kurz darauf sind die Eltern wieder gegangen, ich glaube, sie waren enttäuscht. Gefahren sind sie trotzdem. Irgendwie haben sie das Geld zusammengekriegt. Wahrscheinlich haben die beiden anderen Söhne ausgeholfen. Der Plan, nach Mekka zu reisen, hat mich ziemlich verwundert, denn so gläubig waren sie mir bisher nicht vorgekommen.
Eines Tages jedenfalls sind sie mit einer Gruppe türkischer Gastarbeiter aus München nach Mekka aufgebrochen. Der Flug ging über Istanbul weiter nach Saudi Arabien. Insgesamt waren sie vier Wochen dort. Während ihrer Abwesenheit kam unser kleiner Sohn Ali zur Welt. Die Geburt war problemlos verlaufen. Als ich ein paar Tage später mit dem Baby die Klinik verließ, war ich eine andere. Ich hatte mich sterilisieren lassen, und damit war das Thema Kinder für mich endgültig erledigt. Mustafa hatte ich davor kurz informiert. Er war zwar nicht wirklich einverstanden, aber was sollte er schon sagen. Das war einzig und allein meine Entscheidung gewesen.
Die Kinder, vor allem Birgül, freuten sich über das Baby. Auch ich gewöhnte mich langsam daran. Ali war pflegeleicht, schlief fast jede Nacht durch und schrie kaum. Mit diesem Kind hatte ich Glück gehabt.
Dann kamen die Pilger zurück. Mustafa hat die Eltern damals vom Flughafen abgeholt, während der Rest der Familie sie zu Hause erwartete. Wir Frauen hatten ein großes Essen vorbereitet, und alle freuten sich. Als sie dann in der Tür standen, hätten wir sie beinahe nicht wiedererkannt. Beide waren sonnengebräunt und für die Jahreszeit viel zu leicht gekleidet. Es war Februar und noch kalt. Aber es schien ihnen nichts auszumachen. Mutter hatte ein weißes, langes Kleid und ein weiße Strickjacke an, um den Kopf hatte sie ein langes, weißes Tuch geschlungen. Vater war ebenfalls weiß gekleidet und trug eine Stoffkappe, die für Pilger typische Kopfbedeckung. An den Füßen hatten sie Sandalen. Neben einer kleinen Tasche mit ihrem Gepäck hatte jeder noch zwei Kanister Wasser mitgebracht. Das war heiliges Wasser aus Mekka, das die Pilger kaufen konnten. Mutter und Vater wirkten irgendwie gelöst und froh. So entspannt hatte ich sie eigentlich noch nie erlebt.
Während des Essens erzählten sie von ihrer Reise. Mekka und die Atmosphäre dort seien etwas Unvergleichliches. All die Gläubigen, die aus allen Himmelsrichtungen zum großen hac an die Wirkungsstätte des Propheten Mohammed kämen, nie hätten sie Ähnliches erlebt. Nach dem Essen war es Zeit zum Gebet. Sie zogen sich zurück, zuerst
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