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Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt

Titel: Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayse
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war, hatte ich mir fest vorgenommen, mit ihm zu lernen. Aber daraus ist nichts geworden, weil mir die Zeit fehlte. Ich hatte ja fast durchgängig gearbeitet und die Nachmittage und Abende mit Heimarbeit verbracht. Auch mit den beiden Jüngeren hatte ich mitlernen wollen und mir öfter ihr Lesebuch vorgenommen. Aber richtig gelernt habe ich die deutsche Sprache leider nie. Dennoch kam ich irgendwie zurecht. Ich wusste, wie man Rechnungen bezahlt, und wenn ein Brief zu lesen war, haben mir die Kinder geholfen. Um was es ging, habe ich immersofort verstanden. Denken hat ja Gott sei Dank nichts mit Lesen und Schreiben zu tun. Als Mustafa mir allerdings eines Tages sagte, ich solle jetzt endlich den Führerschein machen, habe ich gestreikt. Wie sollte das gehen? Ich würde doch dem theoretischen Unterricht nie folgen können. Fahren, gut, das würde wahrscheinlich funktionieren, aber was war mit der schriftlichen Prüfung? Mustafa sah darin kein Problem. Immer wieder fing er damit an. Ich hätte es dann doch so viel leichter, könne die Kinder in die Schule und den Kindergarten bringen, müsste nicht immer mit dem Fahrrad zum Einkaufen usw. Gründe gab es wohl mehr als genug. Auch die Kinder fingen an zu quengeln. »Wäre doch echt gut, wenn du Autofahren könntest, Mama«, sagten die großen Söhne zu mir.
    Es war an einem Sommerabend, es hatte gerade geregnet, und ich war auf dem Weg nach Hause. Can war bei mir, und wir liefen, wie so oft, an der Fahrschule vorbei. Da sagte er: »Mama, jetzt könntest du dich doch anmelden.« Tja, und das habe ich dann einfach gemacht. Ich bin hineingegangen und habe mich für Fahrstunden angemeldet. Die haben mir ein Formular mitgegeben und mir gesagt, wie viel es kostet, wann der theoretische Unterricht stattfindet usw. Als wir zu Hause waren, stürmte Can in die Wohnung und rief: »Papa, Papa, stell dir vor, Mama hat sich heute zum Führerschein angemeldet.« Mustafa war hoch zufrieden. Noch am selben Abend fragte ich ihn nach Geld. Warum? Nun, ich verdiente zwar das meiste Geld in der Familie, aber nie hätte ich es ohne seine Zustimmung ausgegeben. Nachdem er mir grünes Licht gegeben hatte, bin ich am nächsten Tag zur Bank gegangen und habe die Anmeldegebühr überwiesen und Geld für die ersten Fahrstunden abgehoben.
    Die Nachricht, dass ich den Führerschein machen wollte, verbreitete sich in der Familie wie ein Lauffeuer. Sofort wollten sich meine Schwägerinnen auch anmelden. Mutter war das gar nicht recht. Sie maulte herum und sagte: »Wieso will die denn jetzt plötzlich den Führerschein machen? Dafür war sie doch damals schon zu blöd! Das wird auch jetzt nicht klappen.«
    Aber Mustafa konterte nur kurz und knapp: »Das ist doch meine Sache, das geht dich gar nichts an.« Und so war es dann auch. An einem Vormittag im Herbst absolvierte ich meine erste Fahrstunde, und abends besuchte ich den theoretischen Unterricht. Es war gar nicht so schlimm, wie ich es mir vorgestellt hatte. Schließlich kannte ich die meisten Verkehrszeichen, jetzt musste ich mir nur noch merken, was sie bedeuteten. Gott sei Dank habe ich ein gutes Gedächtnis. Wenn man nicht lesen und schreiben kann, ist man auf ein gutes Erinnerungsvermögen angewiesen.
     
    Die Fahrstunden verliefen reibungslos. Ich hatte schnell begriffen, worauf es ankam, und fuhr mindestens einmal in der Woche mit meinem Fahrlehrer über die Dörfer. Wenn ich Frühschicht hatte, vereinbarte ich nachmittags und bei der Spätschicht vormittags die Fahrstunden. Eines Morgens, die Kinder waren gerade aus dem Haus, machte ich mich wieder für die Fahrstunde fertig. Ich stand unter der Dusche, da blieb mir plötzlich die Luft weg. Ich hatte irrsinnige Schmerzen im Rücken und schaffte es kaum, aus der Badewanne herauszusteigen. Mir war sofort klar, so konnte ich nicht Auto fahren. Ich sagte die Fahrstunde ab und rief bei unserem Hausarzt an. Der wollte mich sofort sehen. Mühsam schleppte ich mich den halben Kilometer zu seiner Praxis. Der Arzt untersuchte mich kurz, gab mir eine Spritze gegen die Schmerzen und wollte mich wieder nach Hause schicken. Aber ich konnte immer noch kaum laufen. Da machte er eine Ultraschalluntersuchung und stellte fest, dass eine Niere stark gestaut war. Mit Blaulicht wurde ich ins Krankenhaus eingeliefert, wo man Nierensteine feststellte. Trotz der großen Schmerzen machte ich mir um die Familie Sorgen. Wer würde die Kinder abholen? Ihnen zu essen machen? Mustafa hatte – zufälligerweise – mal

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