Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt

Titel: Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayse
Vom Netzwerk:
ich genug zu tun gehabt: Arbeit, Kinder, Haushalt. Aber hätte ich ihn hängen lassen sollen? Das ging doch auch nicht. Also bin ich einmal in der Woche nach der Arbeit in die Großmarkthalle nach München gefahren und habe Fleisch, Obst, Gemüse und andere türkische Lebensmittel besorgt. Mustafa arbeitete bis siebzehn Uhr auf dem Bau, ist dann in die Moschee gefahren und machte seinen Laden auf. Am Anfang lief das Geschäft ganz gut. Viele Freunde und Bekannte kamen, um zu sehen, was es alles gab. Bald hatten wir Routine. Einmal in der Woche sagte er mir, was zu besorgen war, und ich fuhr nach München und kaufte ein. Wenn ich die Ware geliefert hatte, fuhr ich wieder heim. Großartig gekümmert habe ich mich nicht. Es schien alles gut zu gehen.
    Daheim warteten schon die Kinder. Ich erkundigte mich nach den Hausaufgaben, aber kontrolliert habe ich sie nie. Ich kümmerte mich nicht sonderlich um die Schule. Ich hätte sowieso nichts verstanden, weil ich ja selbst kaum Schulbildung hatte. Auch Mustafa schien das nicht zu interessieren. Nur seine beiden jüngeren Brüder haben sich immer die Zeugnisse unserer Kinder angeschaut und auch manchmal geschimpft, besonders die beiden Großen, die hatten wohl keine besonders guten Noten. Heute mache ich mir deshalb große Vorwürfe, weil sie beide keine Berufsausbildung haben. Hätte ich damals nur mehr darauf geachtet. Dabei war ich ziemlich streng, vor allem mit Birgül! Wenn sie nicht pünktlich nach Hause kam, wurde ich fast verrückt vor Sorge, und manchmal ist mir auch die Hand ausgerutscht. Einmal kam sie zu spät und völlig durchnässt vom Spielen. Ich war völlig aufgelöst und schrie sie an: »Wo warst du? Und wie siehst du aus? Du bist doch ein Mädchen und kannst dich so nicht auf der Straße rumtreiben.« Und dann habe ich einen Plastikwäschekorb genommen und ihr damit auf den Rücken gehauen, immer wieder, bis er schließlich kaputt war. Warumich so überreagiert habe? Vermutlich weil sie unsere einzige Tochter war und ich Angst um sie hatte. Mustafa hat sie nur ein einziges Mal geschlagen. Da hatten wir auch nicht gewusst, wo sie gewesen war. Und als sie dann schließlich zur Tür hereinkam und »merhaba« sagte, hat er ihr ins Gesicht gehauen und sie als »Schlampe« beschimpft. Damals war sie sieben Jahre alt.
    Mustafa kümmerte sich wenig um die Kinder. Wenn er Arbeit hatte, ging er morgens aus dem Haus und kam abends wieder. Dann aß er und setzte sich vor den Fernseher. Und wenn er arbeitslos war, saß er den ganzen Tag zu Hause herum oder war unterwegs. Als er den Laden hatte, kam er meistens um neun Uhr abends nach Hause. Oft haben wir uns gar nicht gesehen, weil ich ja Schicht arbeitete. Weil ich aber einmal tagsüber eine Entscheidung von ihm brauchte, fuhr ich bei ihm auf der Baustelle vorbei, er war nicht da. Sein Chef erzählte mir, dass er schon vor ein paar Wochen gekündigt habe und nicht mehr bei ihm arbeite. Wieder einmal war ich sprachlos. Intuitiv fuhr ich zur Moschee. Dort musste er sein. Und so war es auch. Mustafa hatte seinen Laden inzwischen den ganzen Tag geöffnet und saß hinter der Kasse, als ich kam. Ansonsten war der Laden leer, weit und breit keine Kundschaft. Er muss mir meine Wut angesehen haben, denn er sagte beschwichtigend: »Weißt du, die Arbeit auf dem Bau war einfach nichts für mich.«
    »Ah, aber der Laden, der ist das Richtige für dich?«, fauchte ich ihn an. »Der wirft doch nicht mal die Miete ab.« Leider war dem so. Wir hatten all die Monate dazugebuttert. Von den Einkäufen ganz abgesehen, die hatte ich ja immer übernommen und auch bezahlt. Dass Mustafa einen Großteil davon am Ende verschenkte oder wegwarf, habe ich erst sehr viel später mitgekriegt.
    Der Laden war eine einzige Katastrophe. Mustafa saß eigentlich den ganzen Tag nur noch herum. Wenn jemand kam, bot er Tee an, aber verkauft hat er fast nichts. Ein halbes Jahr nach der Eröffnung konnten wir die Miete nicht mehr bezahlen. Mein Lohn reichte gerade mal für die Miete der Wohnung und dasEssen, große Sprünge konnten wir nicht machen. Ich hatte oft nicht mal Geld, den Kindern etwas zum Anziehen zu kaufen.
    Von nun an hatten wir ständig Streit, und immer ging es ums Geld. Das hat mich kaputtgemacht. Ich schuftete Tag und Nacht, und geblieben ist uns nichts. Ich versuchte Mustafa davon zu überzeugen, den Laden zu schließen und sich wieder eine feste Stelle zu suchen. Aber er wollte nicht hören. Er hatte keine Lust auf richtige Arbeit. Und

Weitere Kostenlose Bücher