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Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt

Titel: Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayse
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wieder blieb mir – wie so oft – nur die Heimarbeit als Ausweg. Damit konnte ich noch ein bisschen dazuverdienen, damit wenigstens die Kinder nicht so sehr litten. Nach einem weiteren halben Jahr schließlich stand der Laden vor der Pleite. Mustafa hatte sich inzwischen von meinem Bruder Geld geliehen und ihm versprochen, es bald zurückzuzahlen. Das waren ungefähr 6000 DM, aber das reichte nicht mal, um die Mietschulden der letzten drei Monate zu bezahlen. Den Rest mussten wir abstottern. Er kündigte den Mietvertrag und räumte das Geschäft. Die restliche Ware wie Reis, Nudeln, Oliven und andere haltbare Lebensmittel hat er verschenkt.
    Zu dem Zeitpunkt hatte ich mich innerlich vollkommen zurückgezogen. Der Laden, die Schulden, es war mir alles zu viel. Ich hielt das bald nicht mehr aus. Immer öfter bekam ich diese schreckliche Migräne, die mich tagelang lähmte. Die Kopfschmerzen kamen immer frühmorgens, so dass ich manchmal nicht mal die Kinder auf den Weg bringen konnte, und auch an Arbeiten war nicht zu denken. Ich konnte dann nur im abgedunkelten Schlafzimmer liegen und darauf warten, dass es vorbeiging. Mein Hausarzt hat mich dann krankgeschrieben und mir ein starkes Schmerzmittel verabreicht. Die Migräne wurde mein ständiger Begleiter. Mindestens alle sechs, acht Wochen überfielen mich diese wahnsinnigen Schmerzen.
     
    In der Zeit nach der Ladenpleite haben Mustafa und ich kaum mehr miteinander gesprochen. Ich war am Ende, konnte nicht mehr. Als meine Schwiegermutter sagte, die Kinder und ich sollten mit in die Türkei kommen, nahm ich das Angebot dankbaran. Es war mir sowieso alles egal. So bin ich mit meinen beiden Kleinen im Sommer 1996, nach vielen Jahren, wieder einmal in unser Dorf gefahren. Mustafa ist mit Can und Muhammed in München geblieben. Er wollte sich angeblich eine Arbeit suchen.
    In unserem Dorf hatte sich einiges verändert. Zum ersten Mal würden wir im eigenen Haus wohnen. Denn die Schwiegereltern hatten neben ihren Häusern in Istanbul jetzt auch in Ballidere gebaut. Und wir hatten es finanziert! Alle Söhne (und Schwiegertöchter) hatten in den letzten anderthalb Jahren Geld gegeben. Wir mussten einen Kredit aufnehmen, weil wir keinen Pfennig hatten. Das waren 30000 DM. Ich glaube, dass die anderen auch so viel gegeben haben. Das Haus jedenfalls war beeindruckend. Ein dreistöckiger Ziegelbau mit jeweils zwei Balkonen pro Etage ragte mitten im Dorf in den Himmel.
    Als wir in jenem Sommer ankamen, war es gerade fertig gestellt worden. Das Erdgeschoss war bereits an einen Bekannten vermietet worden, so standen für unsere Familie zwei Stockwerke zur Verfügung. Mutter und ich zogen in den obersten Stock. Dort gab es vier Zimmer und eine Küche. Mutter teilte mir und den Kindern ein Zimmer zu. Das sei jetzt meines, sagte sie selbstzufrieden. Ein Zimmer für eine sechsköpfige Familie? Gut, im Moment waren wir nur zu dritt, aber wenn Mustafa und die beiden Großen dabei gewesen wären, was dann? Wie hätten wir in dem zwanzig Quadratmeter großen Raum wohnen und schlafen sollen? Ich war empört. Wir hatten immerhin 30000 DM bezahlt und sollten jetzt mit einem einzigen Zimmer abgespeist werden. Aber sollte ich schon wieder mit ihr streiten?
    Vor Monaten hatte ich mich schon einmal mit den Eltern angelegt. Denn immer wieder hatten sie Geld von uns gefordert. Erst für das eine Haus in Istanbul, dann für das zweite Haus, und jetzt vor kurzem für den Neubau in Ballidere. In dem zweiten Istanbuler Haus hatten wir sogar eine eigene Wohnung. Wenn wir Urlaub machten, wohnten Mustafa und ich mit den Kindern dort. Aber sie gehörte uns nicht. Das hatte mich damals sehr aufgebracht. Sie hätten uns doch eintragen lassen können,Mustafa und mich. Dann wären wir offiziell die Besitzer gewesen. In dem einen Haus in Istanbul gab es insgesamt acht Wohnungen. Ich wollte, dass eine Wohnung auf meinen und die andere auf Mustafas Namen eingetragen werden sollte. Schließlich hatten wir doch auch dafür gearbeitet. Aber als ich sie danach fragte, gab es Ärger. Denn weder Mutter noch Vater wollten das einsehen. Sie stellten sich stur und fragten immer wieder: »Wieso auf deinen Namen? Für was brauchst du das?«
    Aber ich ließ nicht locker und antwortete: »Warum nicht, ich habe doch auch vier Kinder. Und wenn Mustafa heute etwas passiert, stehe ich allein da.«
    Das haben sie nicht verstanden. Und Mustafa hat sich – wie so oft – herausgehalten. Er hat kein Wort darüber verloren. Immer

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