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Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt

Titel: Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayse
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stand er auf ihrer Seite. Und ich war machtlos, konnte nichts tun, als meine Wut in mich hineinfressen.
    Jetzt, in diesem kleinen Raum mit den paar Matratzen auf dem Boden, kam alles wieder hoch. Ich fühlte mich betrogen, aber ich habe geschwiegen. Mutter hat es wahrscheinlich nicht einmal bemerkt. Sie fand sich sicher sehr großzügig. Immerhin hatte ich jetzt ein Zimmer in einem der schönsten Häuser am Ort. Dann fing sie an, mich zu bedrängen. Wir bräuchten doch Möbel, so könne man doch nicht wohnen. Ich solle in die Stadt fahren und ein Schlafzimmer kaufen. Aber ich stellte mich stur: »Wieso soll ich Möbel kaufen? Ich werde die meiste Zeit bei meiner Mutter schlafen. Ich brauche hier keine Möbel.«
    Aber sie ließ nicht locker und setzte mich weiter unter Druck: »Du brauchst doch ein vernünftiges Bett und einen Schrank.« Sie schlug mir vor, das Mobiliar auf Raten zu kaufen, wenn es mir auf einmal zu viel sei. Aber ich konnte auch stur sein und lehnte weiter ab. Wenn Mustafa dabeigewesen wäre, hätte ich mich vielleicht darauf eingelassen. Aber so? Außerdem hatte ich sowieso kein Geld.
     
    Nach ein paar Tagen bat ich Mutter , zu meiner anne gehen zu dürfen. Wir hatten uns in den letzten Jahren immer nur ein paarTage gesehen, jetzt wollte ich endlich einmal länger bei ihr bleiben. Mutter passte das nicht, aber sie erklärte sich schließlich einverstanden. Also bin ich mit den Kindern zu meinen Eltern gezogen. Die Abende saß ich mit anne auf der Terrasse und habe geredet. Der ganze Kummer der letzten neunzehn Jahre sprudelte aus mir heraus. Ich habe ihr alles erzählt, die Demütigungen, die Schläge, die Vergewaltigungen. Sie saß mir gegenüber und hörte zu. Immer wieder kamen ihr die Tränen, und sie schüttelte ungläubig den Kopf und sagte: »Weißt du, dein Vater hat mich auch ein Leben lang geschlagen, das ist eben so. Aber warum habt ihr so viele Kinder gemacht?« Das hat sie nicht verstanden. Was hätte ich sagen sollen? Im Grunde wusste ich es doch selbst nicht.
    Die Aussprache mit meiner anne hat mir sehr geholfen. Ich fühlte mich so gut wie schon lange nicht mehr. Und dann hatte ich eine Idee: Ich wollte ein Fest veranstalten, und alle sollten kommen. Wir würden in die Berge fahren und dort grillen. Ich wollte zwei Schafe schlachten und mit meiner Familie und allen Freunden und Nachbarn feiern. Es gab keinen konkreten Anlass. Vielleicht, weil ich noch nie hier im Dorf gefeiert hatte. Ich besprach mich also mit anne und meinem Vater, die beiden fanden, das sei eine gute Idee. Dann rief ich Mustafa an und fragte ihn. Er war sofort einverstanden und sagte: »Mach das ruhig. Das ist doch dein Geld.« Ja, so konnte er auch sein. Danach habe ich alle eingeladen, die mir wichtig waren. Natürlich auch meine Schwiegermutter und den einen Schwager, der mitgekommen war. Aber sie wollte nicht. Ich habe sie angefleht und gebettelt, immer wieder. Doch sie blieb hart. Wenn sie einmal »nein« sagt, dann bleibt es dabei. Irgendwann habe ich dann aufgegeben. Da konnte man nichts machen, aber wenigstens die anderen würden alle kommen.
    Der Tag meines Festes rückte näher. Also kaufte ich die Schafe, und mein Vater hat sie geschlachtet. Anne und ich haben Brot gebacken, Salate vorbereitet, Geschirr und Besteck zusammengestellt, alles in Körbe gepackt, auf den Anhänger eines Traktors geladen,und los ging es. Wir waren an die zwanzig Leute, die mit dem Traktor den Berg hinauffuhren. Nach einer Stunde Fahrt hatten wir unser Ziel erreicht. Es war eine jener Stellen, die ich noch aus meiner Kindheit kannte. Hier hatte ich oft zusammen mit meiner Cousine Fidan Schafe gehütet. Wie lange das schon her war!
    Und ein paar Freundinnen und ich fingen an, einen Grill aus Steinen zu bauen, andere bereiteten das Fleisch vor und mein Vater kümmerte sich um das Feuer. Anne vergnügte sich auf einer Wippe. Sie saß an einem Ende und mein Bruder auf dem anderen. Wie wild wippten die beiden auf und ab und hatten anscheinend jede Menge Spaß. Meine anne war sowieso selig, weil sie endlich mal wieder zwei ihrer Kinder bei sich hatte. Doch plötzlich hörte ich einen spitzen Schrei. Mein abi hatte zu heftig geschaukelt, und anne flog in hohem Bogen durch die Luft. Als Nächstes hörte ich einen dumpfen Schlag und dann lautes Stöhnen. Anne war verletzt. Wie schwer, das konnte man zu dem Zeitpunkt noch nicht abschätzen. Das Fest war jedenfalls vorbei, bevor es richtig angefangen hatte.
    Mein Bruder stand unter

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