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Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt

Titel: Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayse
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Schock, mein Vater fluchte sich die Seele aus dem Leib. Er war so wütend, dass er fast auf anne eingeschlagen hätte. Immer wieder schrie er, wie leichtsinnig sie gewesen sei, während sie mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Boden saß und leise wimmerte. Da wurde es mir auch zu viel. Ich stellte mich vor meinen Vater und sagte mit fester Stimme: »Wenn du jetzt nicht sofort aufhörst, anne anzuschreien, stürze ich mich den Berg hinunter.« Es war mir wirklich ernst, das muss er gemerkt haben, weil er augenblicklich aufhörte und mich ganz erstaunt ansah. Noch nie in meinem Leben hatte ich so mit meinem Vater gesprochen.
    Mein Bruder hatte sich inzwischen wieder erholt und eine Ecke des Anhängers mit Decken ausgelegt, vorsichtig legte er anne auf die Ladefläche und setzte sich ans Steuer des Traktors. Wir mussten Mutter sofort ins Krankenhaus fahren. Die anderen Frauen hatten inzwischen das Fleisch und die anderen Lebensmittelwieder eingepackt und machten sich zu Fuß auf den Weg ins Tal. Birgül und Ali gingen mit meiner Schwägerin.
    Im Krankenhaus stellten die Ärzte einen komplizierten Bruch fest. Anne hatte sich die Schulter dreimal gebrochen, und es würde Wochen dauern, bis sie sich wieder einigermaßen bewegen konnte. Ich würde eine Weile bei ihr bleiben müssen, denn sie konnte sich nicht einmal alleine anziehen, geschweige denn arbeiten. Sie würde mich brauchen. Aber da kam mir die Schwiegermutter in die Quere. Es war ihr schon ein Dorn im Auge gewesen, dass ich bei meinen Eltern gewohnt hatte, ganz zu schweigen von dem Fest. Nach einer Woche beschloss sie also abzureisen. Und natürlich mussten wir mit. Ich habe versucht sie umzustimmen, habe immer wieder auf sie eingeredet. Aber sie ließ sich nicht erweichen. Sie wollte nach Istanbul und damit basta. So war ich gezwungen, meine anne in ihrem Unglück allein zu lassen. Gott sei Dank hatte sie ihre Freundinnen, die ihr bei der Arbeit halfen. Denn auf meinen Vater war ja kein Verlass.
    Die Sorge um anne hier in der Türkei, der Ärger mit Mustafa zu Hause in Deutschland, unsere Geldprobleme, das war alles zu viel für mich. Ich spürte deutlich, dass sich etwas ändern würde. Wobei ich damals nicht hätte sagen können, was. An den restlichen Urlaub kann ich mich kaum mehr erinnern. Nur, dass wir in Istanbul in der Wohnung wohnten, die angeblich uns gehörte. Den Kindern hat es, soweit ich mich erinnere, gefallen. Sie hatten hier viele Spielkameraden und waren die meiste Zeit draußen. Ich hoffte nur, dass wir bald wieder nach Deutschland fahren würden.
     
    Zu Hause in München ging der Ärger weiter. Mustafa hatte uns zwar vom Flughafen abgeholt, aber seit unserer Ankunft kein Wort mit mir gewechselt. Er zeigte keinerlei Freude, mich zu sehen, nur Birgül und Ali hat er in die Arme geschlossen. Ich wusste nicht, was passiert war. Warum sprach er nicht mit mir? Als ich ihn fragte, gab er mir keine Antwort, ignorierte mich. Das ging tagelang so, und nur mühsam konnte ich mir nach einerWeile ein verschwommenes Bild machen. Mutter hatte während unseres Urlaubs öfter mit Mustafa telefoniert und ihm die wildesten Sachen erzählt. Dass ich nur bei meiner Mutter gewohnt, sie nie besucht, auf der Straße nicht gegrüßt hätte und Weiteres in der Art. Und natürlich hat sie sich über mein Fest ausgelassen. In welchem Überfluss ich hatte feiern wollen, aber für die Wohnungseinrichtung hätte ich kein Geld ausgeben wollen. Und Mustafa hat alles geglaubt, hat an keinem ihrer Worte gezweifelt. Immer wieder versuchte ich mit ihm zu reden. Dann, eines Tages ist er explodiert und fing an zu toben. Er fing an, mich zu beschimpfen und zu beleidigen. Von morgens bis abends ging es: »Wo ist die Nutte?«, »Was macht die Nutte?« Aber ich war nicht mehr das kleine Mädchen von damals. Ich wehrte mich, sagte ihm auch meine Meinung. Nach unserem Urlaub haben wir uns eigentlich nur noch gestritten.

Die Flucht
    Es war September. Die Kinder gingen in die Schule, und auch ich hatte wieder angefangen zu arbeiten. Das war gut, denn so konnte ich Mustafa wenigstens den halben Tag entfliehen. Wenn ich die Wohnungstür hinter mir zumachte, ging es mir besser, und in der Firma fühlte ich mich sowieso wohl. Die Kollegen waren nett, und zu lachen gab es immer etwas. Vor der Arbeit schaute ich zurzeit meistens noch bei einem Kollegen vorbei. Der war in Urlaub und hatte mich gebeten, seine Blumen zu gießen. Dieser Kollege arbeitete fast so lange wie ich in der Fabrik und

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