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Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt

Titel: Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayse
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ich ein verkehrtes Leben lebten. Aber ich wusste auch, dass es kein Zurück gab und ich – im Grunde – auch nicht zurückwollte. Vielleicht gab es das Leben, das für mich richtig war, gar nicht.
    In der Zeit lernte ich Gökcem kennen. Sie war eine neue türkische Kollegin bei uns in der Firma, und wir verstanden uns auf Anhieb. Wir arbeiteten in der gleichen Schicht und freundeten uns schnell an. Gökcem war ein bisschen jünger als ich und lebte noch nicht so lange in Deutschland. Wenn wir Frühschicht hatten, gingen wir manchmal nach der Arbeit noch einen Kaffee trinken. Sie war wirklich sehr nett, und durch sie fand ich ein Stück verlorene Heimat wieder. Irgendwann habe ich sie undihren Mann dann zu uns nach Hause eingeladen. Birgül wollte kochen. Sie liebte es und experimentierte ständig in der Küche herum. Mittlerweile war sie eine ganz brauchbare Köchin geworden. Den ganzen Samstagvormittag verbrachte sie in der Küche und zauberte die verschiedensten Gerichte. yaprak dolması , gefüllte Weinblätter, und tas kebabı , ein Blätterteig mit gedünsteter Fleischfüllung, dazu gab es gemischten Salat. Birgül hatte sich sehr viel Mühe gegeben, und es schmeckte vorzüglich. Das Essen war ein Volltreffer. Aber Gökcem interessierte sich vor allem für meine Tochter. Nach dem Essen sagte sie: »Was für eine schöne Tochter du hast, Ayşe.« Das stimmte ja auch. Birgül war mit ihren sechzehn Jahren eine kleine Schönheit – groß, schlank, lange, schwarze Haare und große, dunkelbraune Augen.
    Birgül fühlte sich ziemlich geschmeichelt, aber ansonsten war sie nach dem Essen ziemlich abwesend. Sicher war sie mit ihren Gedanken wieder bei Paul. Das war der Junge, in den sie gerade verliebt war. Ein Deutscher, glaube ich. Aber so genau wusste ich das nicht. Sie hatte mir neulich nur kurz erzählt, dass es da jemanden gäbe in ihrem Leben, der ihr sehr wichtig sei. Ich hatte ihr gesagt, dass sie sich nicht mit ihm einlassen dürfe und aufpassen müsse. Flirten war erlaubt, aber mehr nicht. Schließlich müsste sie bis zu ihrer Hochzeit warten und Jungfrau bleiben. Das war bei uns immer noch üblich und so hatte ich sie ja auch erzogen. Gökcem war nicht die Erste, die zu mir sagte: »Auf so eine hübsche Tochter musst du aber gut aufpassen, Ayşe.« Dann fragte sie mich, ob ich mich denn schon nach einem Schwiegersohn umgeschaut habe.
    Ich lachte nur und sagte: »Nein, nein, noch nicht.« Aber das hatte Birgül gar nicht mehr mitbekommen, sie hatte sich in ihr Zimmer zurückgezogen. Wahrscheinlich telefonierte sie wieder mit Paul.
    Als ich Gökcem das nächste Mal traf, erzählte sie mir von ihrer Tante. Sie war für drei Monate nach Deutschland gekommen, um eine Frau für ihren Sohn zu suchen. »Sollten wir ihr nicht Birgül vorstellen?«, fragte sie mich. Sie sei genau die Richtige fürihren Cousin U˘gur. Ich war gespalten. War meine Tochter nicht doch noch zu jung? Aber andererseits wirkte sie auch schon so groß. Immer wenn ich mit ihr unterwegs war, machte sie den Jungen schöne Augen. Vielleicht war es wirklich an der Zeit, sie unter die Haube zu bringen. Als ich an dem Nachmittag nach Hause kam, erzählte ich Birgül von Gökcems Tante.
    Sie fiel aus allen Wolken. »Nein, Mama, du weißt doch, dass ich mit Paul zusammen bin. Ich will keinen Türken. Kommt gar nicht in Frage«, schrie sie und stürmte in ihr Zimmer.
    Ich ließ es gut sein und dachte ›abwarten!‹. Gökcem erzählte ich davon nichts.
    Ein paar Tage später sprach meine Freundin Birgül direkt an. Sie hatte sie anscheinend angerufen und ihr von der Tante und dem Cousin erzählt. Birgül hatte Gökcem und ihre Tante zum Tee eingeladen. Ich wusste weder etwas von dem Telefonat noch von der Einladung. An diesem Tag lag ich im Garten und sonnte mich. Dass es an der Tür geklingelt hatte, hatte ich nicht gehört. Zufällig war ich in die Küche gekommen, um etwas zu holen. Was war das für eine Überraschung? Meine Tochter hatte sich herausgeputzt und war gerade dabei, den Besuch hereinzubitten, als ich im Badeanzug in die Wohnung kam. Wie peinlich! Gökcems Tante war offensichtlich streng gläubige Muslimin und stand verschleiert in der Tür. Verlegen murmelte ich eine Entschuldigung und verschwand schnell im Schlafzimmer, zog mich um und kam dann, um den Besuch gebührend zu begrüßen. Dann tranken wir Tee. Man erzählte sich dies und das, aber bald kam Senem, Gökcems Tante, zum Thema. In den höchsten Tönen berichtete sie von ihrem

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