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Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt

Titel: Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayse
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Die ganze Nacht lag ich wach und dachte über meinen verlorenen Sohn nach.
     
    Es muss eine sehr schöne Feier gewesen sein. Birgül und Ali kamen am nächsten Tag ganz aufgekratzt wieder. »Du kannst dir nicht vorstellen, was das für eine schöne Braut war, Mama«, schwärmte Birgül und erzählte von dem weißen Traum aus Spitze, den Cans junge Frau getragen hatte. Dann berichtete sie, wer gekommen sei, was es zu essen gegeben habe, und dass das Brautpaar sehr viele Geschenke bekommen habe.
    Und die Sache mit dem Geld, die erzählten sie auch. Wie auf jeder türkischen Hochzeit hatten die Gäste der Braut Geldscheine an das Kleid gesteckt. Es muss wohl ziemlich viel gewesen sein. Auf jeden Fall war das Geld, kurz vor Ende der Feier, verschwunden. Aber darauf hatte niemand geachtet, außer Mutter . Sie hatte anscheinend mitgezählt und ausgemacht, dass es an die 6000 DM gewesen sein müssen. Aber das Geld war weg und Cans Schwiegermutter auch. Mustafas Familie muss völlig geschocktgewesen sein, weil sie ja wussten, wie viel so eine Hochzeit kostete, und das geschenkte Geld hatten sie – wie bei jeder Hochzeit – für die Bezahlung der Feier eingeplant. Aber nun war es weg. Am nächsten Morgen stellte sich heraus, dass Cans Schwiegermutter tatsächlich das Geld an sich genommen hatte. Als man sie darauf ansprach, sagte sie wohl knapp: »Ja, natürlich. Ich musste es doch in Sicherheit bringen, das ist doch Cans und Cansus Geld.« Sie hat dann 2000 DM davon zurückgegeben, aber das reichte nicht, um die Rechnungen zu bezahlen. Mustafa, die Großeltern und seine Brüder mussten noch etwas drauflegen. Diese Geschichte hat mich ein bisschen versöhnt. Es freute mich, vor allem auch deshalb, weil Mutter es anscheinend endlich mit jemandem zu tun hatte, der mindestens genauso geldgierig war wie sie selbst.
    Aber dass Can mich nicht zu seiner Hochzeit abgeholt hatte, hat mich schwer getroffen. Noch Wochen später ging es mir schlecht, immer wieder lag ich mit Migräne im Bett. Birgül und Ali versuchten mich aufzuheitern, aber gelungen ist es ihnen nicht. Vielleicht wäre es leichter gewesen, wenn ich eine Freundin gehabt hätte, mit der ich hätte reden können. Oder Zoran? Aber der war in Kroatien und hatte sich länger nicht mehr gemeldet. In meiner Verzweiflung rief ich ihn an. Er freute sich, meine Stimme zu hören, und ich erzählte ihm, was passiert war. Er hörte zu und hatte schnell eine Lösung: »Weißt du was? Ich habe ohnehin gerade nichts zu tun, ich komme nach München, dann können wir uns sehen.« Ich fühlte mich überrannt, eigentlich hatte ich doch nur reden wollen, und jetzt wollte er gleich hierher kommen. Aber wie hätte ich es ihm ausreden sollen? Ziemlich verwirrt legte ich auf. Dann dachte ich, ›Ach der Zoran, der redet viel, wenn der Tag lang ist. Der kommt bestimmt nicht.‹
    Am nächsten Tag stand er allerdings vor der Tür. Es war vormittags, und er sah ziemlich zerzaust und müde aus. »Wo kommst denn du her?«, fragte ich ihn erstaunt.
    »Ich bin durchgefahren und gestern Nacht angekommen. Ichhabe im Wald geschlafen, weil ich dich nicht wecken wollte und auch nicht wusste, ob es dir recht ist!«, erzählte er.
    Ich bat ihn herein und kochte ihm erst mal einen Kaffee. Und dann redeten wir. Stundenlang. Es war schön, endlich mal wieder jemanden zu haben, der zuhörte. Die Kinder waren nicht begeistert, als sie Zoran sahen. Und Birgül fragte mich gleich auf Türkisch, ob der Säufer jetzt wieder bleiben würde.
    »Nein«, sagte ich schnell, weil ich wusste, dass die Kinder es nicht akzeptieren würden. Aber es war schwierig, Zoran die Wahrheit zu sagen. Irgendwie hat er es wohl selbst gemerkt, dass er nicht willkommen war. Nach einer Weile sagte er, er wolle nicht mehr länger stören, und verabschiedete sich. Dann ist er gegangen. Ob er wieder im Wald geschlafen hat, weiß ich nicht. Gekommen ist er jedenfalls nicht mehr. Das stimmte mich traurig, weil ich ihn im Grunde ja immer noch liebte. Aber ich hatte mich gegen ihn und für meine Kinder entschieden. Diese Entscheidung konnte ich nicht mehr rückgängig machen.
     
    Das Leben ging weiter, aber es war trostlos. Ich vermisste meine Söhne und wusste nicht, wie ich sie zurückgewinnen sollte. Auch die Großfamilie fehlte mir manchmal, obwohl ich mich in den letzten Jahren darin nicht wohlgefühlt hatte. Ich vermisste die gemeinsamen Essen und die Zusammenkünfte. Und immer öfter hatte ich das Gefühl, dass meine beiden Kinder und

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