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Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt

Titel: Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayse
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als man Birgül wieder aus dem Raum gelassen hatte, war sie schlecht gelaunt. Sie versuchte zwar, höflich zu bleiben, aberich merkte gleich, dass etwas nicht stimmte. Sie raunte mir zu, dass sie mich dringend sprechen müsse. Also sind wir hinausgegangen, »ein bisschen spazieren«, haben wir gesagt.
    Kaum waren wir draußen, hat sie losgelegt: »Sag mal, Mama, spinnst du eigentlich? Du kannst mich doch nicht mit einem wildfremden Menschen in ein Zimmer sperren. Das war vielleicht bei euch so üblich, aber jetzt nicht mehr. Ich mache das nicht mit.« Wütend lief sie neben mir her.
    Ich versuchte sie zu beruhigen und sagte immer wieder, dass er doch ganz nett sei, dieser U˘gur.
    »Ja, ja, ganz nett«, sagte sie verächtlich. »Aber ich liebe ihn nicht. Ich liebe Paul.« Dann erzählte sie mir, dass sie die ganze Zeit in diesem Zimmer damit verbracht habe, zu simsen.
    »Wem hast du eine SMS geschickt?«, fragte ich.
    »Wem? Das fragst du noch? Paul natürlich!« Dann erzählte sie weiter, dass U˘gur hartnäckig gewesen sei und ihr erzählt habe, was er arbeite und dass er abends manchmal mit Freunden unterwegs sei. »Der Typ ist langweilig. Ich habe keinen Bock auf den!« Fast um es zu unterstreichen, sprach sie Deutsch mit mir.
    Abends im Bett wälzte ich den Gedanken hin und her: ›War es falsch, Birgül mit diesem Jungen zu verheiraten? Aber nein, er war doch ganz in Ordnung. Er hatte einen guten Beruf, und er sah nicht schlecht aus. Was wollte sie eigentlich?‹
     
    Am nächsten Morgen haben wir nicht mehr davon gesprochen. Ich wollte sie nicht zu sehr bedrängen. Vielleicht würde sich alles von selbst regeln. Heute hatte U˘gur frei, und wir machten einen Ausflug in die Berge. Hier, südlich von Istanbul war alles neu für mich. Nie war ich in diesem Teil der Türkei gewesen. Eigentlich kannte ich meine Heimat gar nicht. Wir waren gerade Richtung Pass unterwegs, als sich plötzlich der Himmel verdunkelte, Wolken aufzogen und ein heftiger Platzregen einsetzte. U˘gur fuhr und Birgül saß dicht neben ihm. Irgendwie benahm sie sich heute anders. Sie schien verändert, war nicht mehr so unwirsch undlächelte ihn an. Na, vielleicht klappte es doch noch mit den beiden?
    Dann blieb das Auto stecken. Die Hinterreifen hingen im Schlamm und drehten durch. U˘gur stoppte, gab dann langsam Gas und versuchte das Auto zu bewegen. Aber vergeblich, er kam nicht aus dem Schlammloch heraus. Senem, Ali und ich saßen auf der Rückbank und machten Witze. Ob wir jetzt wohl die Nacht im Auto auf dem halben Weg zum Pass würden verbringen müssten. Alle lachten. »Weißt du was, wenn du es schaffst, aus eigener Kraft aus dem Schlammloch wieder rauszukommen, dann kriegst du meine Tochter«, sagte ich, ohne viel nachzudenken, zu U˘gur.
    Birgül drehte sich um, schaute mich entgeistert an und sagte dann auf Deutsch: »Spinnst du, Mama?«
    U˘gur sah mich an und antwortete schnell: »Gut, das schaff ich.«
    Zehn Minuten später hatte er das Auto aus dem Schlamm gefahren. Wir waren erleichtert und froh. Und plötzlich riefen alle: »Ja, jetzt machen wir Hochzeit!« Alle jubelten und waren begeistert, alle außer Birgül.
     
    Nach knapp einer Woche wurde der Hochzeitstermin festgelegt. Meine Tochter Birgül und ihr Bräutigam U˘gur würden in zehn Tagen heiraten. Danach hätten wir noch eine halbe Woche, bevor wir wieder zurück nach München müssten. Das war gutes Timing. U˘gur würde in ein paar Monaten nachkommen. Alle waren in heller Aufregung, vor allem U˘gurs Mutter.
    Schon am nächsten Tag brachte sie ein Hochzeitskleid für Birgül. Es war das Kleid, in dem ihre Tochter vor ein paar Jahren geheiratet hatte. Ein langes, weißes Satinkleid mit einem kurzen Spitzenschleier. Die beiden zukünftigen Schwägerinnen hatten eine ähnliche Figur und waren gleich groß, so dass nichts geändert werden musste. Aber Birgül hat es sehr verletzt, dass sie dieses gebrauchte Kleid tragen sollte. Abends im Bett lag sie in meinen Armen und weinte: »Mama, ich will das nicht. Ich bin dochnicht geschieden. Ich will ein neues Kleid.« Aber sie traute sich nicht, ihre Meinung zu sagen und ein neues Brautkleid zu fordern. Und ich habe auch nichts gesagt. Ich fand das Kleid sehr hübsch, und außerdem sah es aus wie neu. Dass es schon einmal getragen war, wusste ja nur die Familie.
    Vor der Feier gab es viel Rennerei. Die beiden mussten zu einer ärztlichen Untersuchung, die junge Brautpaare in der Türkei über sich ergehen lassen müssen.

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