Mich kriegt ihr nicht!: Gebrauchsanweisung zur digitalen Selbstverteidigung (German Edition)
erschleichen.
Dabei muss man zwischen zwei Ebenen der Datenhäscherei unterscheiden: einmal das absichtliche Teilen, bei dem der Nutzer eines sozialen Netzwerks eine Information an einen anderen weiterreicht. Weit weniger bewusst ist Ihnen sicherlich, dass fast genauso viele Details Ihres Unterhaltungsprogramms heimlich gesammelt werden. Sogenannte social widgets sind auf fast allen gängigen Webseiten eingebettet, die vor allem als stille Spione dienen, auch wenn wir sie nicht anklicken. Gesichtserkennung ist ein weiterer problematischer Trend. Es ist auf den ersten Blick von Vorteil, wenn Geräte und Dienste Sie automatisch erkennen, aber es wirft im selben Atemzug erhebliche Fragen zum Datenschutz auf. Weder die Gesetzeslage noch die Gesellschaft sind auf eine Zukunft vorbereitet, in der Maschinen jeden Menschen ständig buchstäblich im Visier haben.
Teilen bis zum Anschlag
Das Teilen von Informationen online ist ein Geben und Nehmen, bei dem man neue Dienste entdecken kann, Neuigkeiten erfährt und unerwartete Erfahrungen machen kann. Wenn die Grundeinstellung »teilen« lautet, kann man schwer widerstehen, all das in die Welt zu senden, was man tut, sich anhört oder ansieht. Das Mikrofon und die Kamera sind immer eingeschaltet – bei den Smartphones der Zukunft sogar dann noch, wenn sie im Ruhezustand sind. Wir sind süchtig danach, uns selbst und uns miteinander in aller Öffentlichkeit zu amüsieren, beklagt der Technologiekritiker Andrew Keen in seinem Buch Digital Vertigo .
Rund um die Uhr gesprächig, so wünschen sich Onlinefirmen ihre Kunden. Sie haben ein ureigenes Interesse daran, dass wir so viel wie möglich teilen, ohne lange darüber nachzudenken. Wenn das Teilen zur nicht hinterfragten Alltagsangelegenheit wird, liefern wir einen nie endenden Strom von höchst detaillierten Daten über unser Leben und das unserer Bekannten und Verwandten, der sich automatisch bearbeiten und zu Geld machen lässt.
Es gibt in der Tat so viel Geld zu verdienen, dass die Anzahl der großen Technikfirmen kontinuierlich wächst, die Lobbyisten von Berlin über Brüssel bis Washington bezahlen, um bei Politikern und in der Öffentlichkeit für ihre allzu weit gefasste Definition von sharing zu werben. Eine Arbeitsgruppe in Washington etwa bezeichnet sich vermeintlich neutral als »Forum für die Zukunft der Privatsphäre«. Diese Gruppe setzt sich in Wirklichkeit für genau das ein, was Google und Facebook wollen: »Die Menschen bevorzugen reibungsloses Sharing«, behauptete Christopher Wolf, ein Rechtsanwalt und Vorstandsmitglied der Lobbying-Gruppe, in einem Zeitungsinterview. 1
Was genau verbirgt sich hinter dem Begriff »Reibung«? Es ist im übertragenen Sinne der gesunde Menschenverstand und die digitale Selbstverteidigung gemeint, die wir einsetzen sollten, bevor wir ein Update freigeben oder veröffentlichen. Alles, was dieses automatische Megafon der sozialen Medien dämpft oder zum Verstummen bringen könnte, stellt in den Augen der Technologiebranche einen unnötigen Reibungsverlust dar.
Je mehr sich Verbraucher und Gesetzgeber mit den offenkundigen Verletzungen des Datenschutzes und der Persönlichkeitsrechte im Netz beschäftigen, desto mehr Geld stecken die betroffenen Firmen in gezielte Lobbyarbeit. So sind allein die Ausgaben für Lobbyarbeit bei Facebook in Washington von 2010 bis 2012 um fast das Zehnfache gewachsen, ebenso kräftig stockt Google seine Investitionen in die Meinungsmache auf. 2 Seit Herbst 2012 betreibt Google mit anderen einen neuen Dachverband unter dem euphemistischen Namen »Internet-Allianz« in Washington, um neuen Gesetzen und Regelungen die Spitze zu nehmen.
Sollte die Lobby der Datenhäscher mit ihrem Versuch erfolgreich sein, das ungefragte und undurchdachte Teilen als neuen Standard gesellschaftlicher Interaktion einzuführen, werden viele von uns über kurz oder lang große Schwierigkeiten bekommen. Auch der selektive Austausch von Klatsch und Tratsch, den wir heute bereits praktizieren, löst häufig ernste Reue aus. Forscher der Carnegie Mellon University veröffentlichten 2011 eine Studie mit dem Titel »Es tat mir leid, sobald ich auf Teilen geklickt hatte«. (Wang 2011) 3 Danach würden viele Facebook-Nutzer gerne zahlreiche ihrer Updates und Kommentare zurücknehmen.
Die echte Gefahr des Oversharing liegt wohl weniger darin, sich selbst zu blamieren, als vielmehr Bekannten und Verwandten in Schwierigkeiten zu bringen. Nehmen Sie beispielsweise Bilder von
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