Mich kriegt ihr nicht!: Gebrauchsanweisung zur digitalen Selbstverteidigung (German Edition)
identifiziert, in den meisten Fällen ohne sie zu kennen. 8 Bis Mai 2012 war die Anzahl der gescannten Bilder auf 41 Milliarden gestiegen. 9 Kein Wunder, dass Facebook das Unternehmen erworben hat, um seine globale Identitätsdatenbank auszubauen.
Google hat ebenfalls in die Technologie der Gesichtserkennung massiv investiert und unter anderem schon 2006 die Firma des deutschen Softwareentwicklers Hartmut Neven gekauft. Das Unternehmen entschied sich allerdings nach eigenen Angaben, diese Art der Suche vorerst nicht zu aktivieren – eingedenk der massiven Datenschutzprobleme, die das mit sich brächte. »Wir haben diese Technologie entwickelt, aber nicht auf den Markt gebracht«, verriet der Vorstandsvorsitzende Eric Schmidt. »Soweit ich weiß, ist das bisher das einzige Mal, dass Google etwas gebaut, begutachtet und dann gestoppt hat.« 10
Facebook musste seine Ambitionen für die automatische Gesichtserkennung vorerst zurückschrauben. Nach deutlichem Protest von europäischen, insbesondere deutschen Datenschützern stellte das Netzwerk die Funktion erst heimlich ein und kündigte dann im September 2012 an, sie für alle Nutzer in der EU zu deaktivieren und darüber hinaus bereits bestehende biometrische Daten zu löschen.
Es wäre schön, wenn dieses Beispiel Schule machte, aber die Gesichtserkennung besitzt so viele Vorteile und regt so viele neue Geschäftsideen an, dass ihre Nutzung trotz aller Widerstände gegen einen möglichen Überwachungsstaat schon bald explodieren wird:
Wenn Sie in eine Bar gehen wollen, können Sie eine App wie SceneTap benutzen, um nachzusehen, ob es sich lohnt. Die App nutzt Kamerabilder von Nachtclubs und anderen Orten, um zu analysieren, wie viele Menschen sich dort aufhalten, was deren Durchschnittsalter ist und wie es um das Geschlechterverhältnis steht.
Wenn Sie vor einem Fernseher oder einer Spielkonsole mit eingebetteter Gesichtserkennung sitzen, kann das Gerät Sie identifizieren und das Programm entsprechend anpassen – je nachdem, was Sie in letzter Zeit angeschaut oder aufgezeichnet haben. Oder Sie können das Gerät programmieren, um bestimmte Sender für Ihre Kinder zu sperren, sobald die davor sitzen.
Die vernetzte Google-Brille ist noch ein Prototyp, aber mit Gesichtserkennungssoftware in Ihrer Brille können Sie eine Person, die Sie treffen, schnell scannen und einen Hinweis eingeblendet bekommen, wen Sie vor sich haben. Die Brille oder das Smartphone kann Ihnen auch gleich sagen, ob Sie gemeinsame Freunde in Ihren sozialen Netzwerken haben.
Wollen Sie Geld von einem Geldautomaten abheben oder ein Smartphone entsperren, kann eine Kamera Ihr Gesicht zur Identifizierung überprüfen. Beim Vorbeigehen an einer digitalen Plakatwand auf der Straße werden Sie personalisierte Werbung sehen, da eine Kamera im Rahmen Ihr Alter und Geschlecht erkennen und beurteilen kann, ob Sie gerade hinschauen. Wenn Sie ein Mann sind, werden Sie einen Rasierapparat oder Sportwerbung zu sehen bekommen, aber keine Anzeige für Damenparfüm oder Tampons. In Japan arrangieren die Prototypen neuer Getränkeautomaten nach diesem Prinzip ihr Sortiment im Display um, wenn ein Käufer davorsteht.
Die moderne Gesichtserkennung ist inzwischen nicht nur schneller, sondern auch treffsicherer und preiswerter geworden. Sie kann das gesamte Netz als Trainingsparcours benutzen. US-Forscher ließen ein Programm auf die Fotos von 200 zufällig ausgewählten College-Studenten los. 11 Dank der bei Facebook frei zur Verfügung stehenden Informationen wurde ein Drittel von ihnen sofort erkannt. Die Forscher fanden außerdem auch allein anhand der anonymen Fotos die Sozialversicherungsnummern von vielen der Studenten heraus. Während die eindeutige Identifikation eines Gesichtes bisher eine Frage der Speicher- und Rechengeschwindigkeit war, wird sie dank Cloud-Computing immer einfacher und läuft schon auf Smartphones erschreckend präzise. Der japanische Elektronik-Riese Hitachi etwa hat ein neues Kamerasystem vorgestellt, das in einer Sekunde ein Gesicht aus 36 Millionen herausfischen kann.
Polizeibehörden in den USA geben zu, dass sie Beamte in Zivil auf Demonstrationen schicken und einfach mit einem Handy draufhalten lassen, während ein Server im Netz nach aktenkundigen Gesichtern sucht. Da die Vorratsspeicherung nichts kostet, werden die Aufnahmen zur späteren Auswertung vier Jahre lang aufbewahrt. So landet früher oder später das Antlitz fast eines jeden Passanten in einer Datenbank.
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