Mich kriegt ihr nicht!: Gebrauchsanweisung zur digitalen Selbstverteidigung (German Edition)
einer wilden Fete, die ungewollt den anderen Gästen schaden könnten.
Das mag wie ein banales Beispiel klingen, ist aber als gesellschaftliches Problem nicht zu unterschätzen. Eben Moglen, Juraprofessor und Datenschutzaktivist an der Columbia University, meint sogar, wir fügten durch zu viel Sharing einander nicht wiedergutzumachenden Schaden zu. Er vergleicht die sozialen Netzwerke mit Hackern, die in sich zwischen zwei Teilnehmer eines Gesprächs mogeln und alles mitschneiden.
»Facebook führt dazu, dass jeder von uns erhebliche ›Umweltschäden‹ anrichtet, indem wir alle gemeinsam die Privatsphäre unserer Mitmenschen zerstören«, so Moglen. »Durch den Austausch mit unseren tatsächlichen Freunden über einen Mittelsmann im Netz, der alles speichert und auswertet, machen wir die Privatsphäre unserer Mitmenschen kaputt. Nicht das Sharing an sich ist das Problem, sondern die Art und Weise, wie es abläuft, da ein Dritter in der Mitte alle Daten abschöpfen kann. Das ist nicht nur an Dummheit schwer zu überbieten, sondern auch extrem gefährlich.« 4
Unternehmen lesen gerne mit
Datenschützer mögen klagen, doch alle möglichen Wirtschaftsunternehmen haben den Wert des unbedachten Sharings für sich entdeckt. So können sie die Gewohnheiten ihrer Kunden automatisch und unbemerkt überwachen. Wer sich aus Neugier für Dienste wie PeerIndex oder Klout anmeldet, um sein Renommee im Netz zu ermitteln, versteht meist nicht, dass er diese Dienste autorisiert, fortan sein Social-Media-Verhalten mitzuverfolgen. So nehmen Sie vor allem Datenmaklern die Arbeit ab, denn für die ist eine derartige virtuelle Bonitätsprüfung bares Geld wert.
Ein abschreckendes Beispiel für den geistlosen Umgang mit sozialen Medien ist ein Mann, der online ständig mit seinem neuen Auto prahlte. Er gab sogar zu, das Tempolimit regelmäßig zu ignorieren – Spaß müsse sein. Als er einen Unfall hatte, zahlte die Versicherung für einen neuen Wagen. Auch das konnten seine Freunde auf einer Seite für Autoliebhaber nachlesen. Dumm war nur, dass er ihnen auch verriet, dass der zu Schrott gefahrene Wagen gar nicht über ihn, sondern über seine Großmutter versichert war. 5
»Soziale Medien sind ein großartiges Werkzeug für unsere Nachforschungen. Wir freuen uns, dass Menschen so mitteilsam sind«, sagt Bernhard Lindholm, Manager der dänischen Versicherungsgesellschaft Tryg. »Wir nutzen das Internet, um Realitätskontrollen durchzuführen, da Leute online eher die Wahrheit sagen, als wenn wir sie fragen.« 6 Der angeberische Raser bekam übrigens eine 60-tägige Haftstrafe wegen Versicherungsbetrugs.
Auch in Deutschland ist dieses Thema umstritten, weil insbesondere Versicherungsfirmen auf Nutzerdaten erpicht sind. Als die Schufa das Hasso-Plattner-Institut damit beauftragte herauszufinden, ob und wie sich öffentlich zugängliche Angaben auf Facebook, Twitter oder Xing für die Bonitätsprüfung nutzen ließen, brach ein Sturm der Entrüstung los. Die Auskunftei musste ihren Auftrag kündigen.
Gleichwohl geben andere Unternehmen offen zu, sich auf sozialen Medien umzusehen, um Preise und Risikoprofile für Kunden zu berechnen. Der Versicherer Axa Global Direct etwa wertet nach eigenen Angaben bis zu 50 Variablen aus, um die individuelle Prämie zu ermitteln: von Browser-Cookies und dem Einkaufsverhalten bis zu Einträgen über Partys auf Facebook.
Der Konsum und der Austausch unterhaltsamer Häppchen ist auch deswegen so verlockend, weil sich dessen Entwickler der Psychologie eines Spiels bedienen. Wer neue Dinge findet und empfiehlt, sammelt Punkte bei seinen Bekannten und steigt in deren Achtung als Trendsetter. Jede dieser Handlungen wird selbstverständlich erfasst und ausgewertet.
Insofern kann man all die Buttons auf immer mehr Webseiten mit einer versteckten Kamera vergleichen. Wenn Sie auf einer Webseite auf Facebooks »Gefällt mir« oder eine Google-Plus-Taste klicken, um Ihren Freunden von einer coolen Band oder einem neuen Film zu berichten, oder sich mit ihrem Kennwort von Facebook oder Twitter einloggen, geben Sie Informationen an Facebook und Google weiter. Aber diese Art der Datenhäscherei läuft auch dann ab, wenn Sie niemals auf diese Widgets klicken. Dank des Codes, den Anbieter wie Facebook oder Google anderen Webseiten zur Verfügung stellen, ist gar keine explizite Handlung des Besuchers nötig, um ausspioniert zu werden. Die Seite sendet identifizierbare Informationen über Ihren Besuch an Facebook
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