Michael - der Beschützer
anderen.
Lorelei stieg in den Wohnwagen der Maske. Sie war schrecklich nervös, als das wasserfeste Make-up mit einem feuchten Schwamm auf ihrem Gesicht aufgetragen wurde. Nichts half dagegen. Vielleicht lag es an der Stimmung, die durch die Grabsteine und den Nebel erzeugt wurde.
Michael sah zu, wie sie geschminkt wurde. “Du wärst nicht normal, wenn dich das alles hier nicht nervös machen würde”, sagte er ruhig.
Sie warf einen warnenden Blick auf die rundliche, mütterlich wirkende Frau.
“Achten Sie gar nicht auf mich”, meinte die Maskenbildnerin, während sie behutsam den Lidschatten auftrug. “Ich höre nie zu. Betrachten Sie diesen Wohnwagen als Beichtstuhl. Alles bleibt vertraulich.” Sie zog mit dem Konturenstift die Umrisse von Loreleis Lippen nach. “Allerdings hat der Detektiv Recht. Es ist nur natürlich, wenn Sie sich fürchten. Ich meine, da draußen läuft ein Irrer herum und beobachtet und belauert Sie.”
“Wissen denn alle über den Kerl Bescheid?” fragte Lorelei, während sie gehorsam die Lippen mit einem Papiertuch abtupfte.
“Sicher.” Die Maskenbildnerin trug zwei Lagen roten Lippenstifts und zuletzt Gloss auf, damit Loreleis Lippen ständig feucht wirkten. “Und das ist gut so. Auf diese Weise können wir alle aufpassen, ob sich jemand zeigt, der nicht zu uns gehört.” Sie wandte sich an Michael. “Das ist doch richtig so, oder?”
“Ich bin für jede Hilfe dankbar, und wenn jemand die Augen offen hält, hilft das.”
Lorelei fiel allerdings auf, dass er nicht erwähnte, der Verfolger könnte zum Drehteam gehören.
“Na bitte, sehen Sie?” Die Maskenbildnerin lächelte ihr aufmunternd zu und verstärkte das Make-up auf Loreleis Wangen. “Wir sind alle eine Familie, Lorelei. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Wir kümmern uns um unsere Leute.” Sie drückte Lorelei mit einer Herzenswärme an sich, die diese von ihrer eigenen Mutter nie empfangen hatte. “Es kommt alles in Ordnung. Und sie sieht perfekt aus, finden Sie nicht auch?” fragte sie Michael.
“Sie sieht großartig aus”, bestätigte er. “Du bist tatsächlich großartig”, bemerkte er, als sie den Wohnwagen gemeinsam verließen. Er streckte die Hand aus, als wollte er ihre Wange streicheln, zog sie jedoch wieder zurück, um das Make-up nicht zu verwischen. “Und du bist eine der mutigsten Frauen, die ich jemals kennen gelernt habe.”
Lorelei gefiel dieses Kompliment noch besser als seine Bemerkung über ihr Aussehen. “Warum? Weil ich nicht zusammenbreche, wenn ein Verrückter hinter mir her ist?”
“Die meisten Frauen würden zusammenbrechen.”
“Ich nicht”, entgegnete sie energisch. “Das würde nichts bringen. Dieser Kerl darf mich nicht fertig machen.” Sie ließ den Blick über den Friedhof schweifen, der mit den Grabsteinen aus weißem Marmor wie eine Totenstadt wirkte, und unterdrückte ihre Angst. “Außerdem werden die meisten Frauen nicht von den O’Malley-Brüdern beschützt.”
“Du hast eben Glück”, meinte er lächelnd.
“Genau meine Meinung.”
Lorelei war nicht im Geringsten überrascht, als Brian ihr zehn Minuten vor Beginn der Dreharbeiten etliche Seiten mit überarbeitetem Text reichte.
“Das verstehe ich nicht”, sagte sie, nachdem sie den Inhalt überflogen hatte. “Ich dachte, ich werde im Film von einem Mann verfolgt, den ich in meinem Kriminalroman erfunden habe.”
“Stimmt” bestätigte Brian. “Aber dann sah ich Dennis mit der Nebelmaschine arbeiten. Und ich dachte, es wäre toll, wenn wir zusätzlich eine Geschichte um Wiedergeburt einbauen.”
“Ein Mann, der vor zweihundert Jahren gelebt hat”, murmelte sie, während sie weiterlas. “Nachts lieben sie sich in den Träumen der Heldin, und jetzt sollen wir auch noch glauben, dass die Heldin tagsüber seine Biographie schreibt?”
“Ich finde das logisch”, behauptete Brian lächelnd.
“Ich wünschte, du würdest das Drehbuch nicht ständig von einem Tag auf den anderen ändern.” Sie sah ihn gespielt zornig an. “Das ist nur die Schuld des Computerzeitalters. Müsstest du nämlich das ganze Drehbuch immer wieder neu tippen, würdest du nicht so schnell etwas umschreiben.”
Er schenkte ihr ein gewinnendes Lächeln. “Als ich das Honorar für mein erstes Drehbuch bekam, ersetzte ich meine alte Schreibmaschine sofort durch einen Computer.”
“Ich habe Probleme”, erklärte Lorelei ehrlich frustriert, “bei diesen ständigen Änderungen meine Rolle überzeugend zu
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