Michael - der Beschützer
Wir haben aber noch keinen Namen, und wir haben auch nicht mehr viel Zeit.”
“Trotzdem …” Sie wandte sich an Michael, der neben dem Tisch stand. “Es überrascht mich, dass du zu solchen Methoden greifst.”
Seine Miene wirkte wie versteinert. “Ich lasse nicht zu, dass dir etwas passiert, Lorelei.”
Sie konnte es kaum fassen. Dieser Mann, dessen Prinzipien so unerschütterlich waren wie der Felsen von Gibraltar, handelte ihretwegen gegen seine Überzeugung! “Allmählich begreife ich, warum du deinen Abschied bei der Polizei genommen hast.”
“Behauptest du, dass ich als Polizist gegen das Gesetz verstoßen habe?”
Lorelei kannte ihn zu gut und liebte ihn zu sehr, um sich von seinem harten Blick einschüchtern zu lasen. “Natürlich nicht, Michael, aber du engagierst dich … manchmal vielleicht sogar zu sehr.” Als er nur die Schultern zuckte, wollte sie ihm vorhalten, dass er nicht die ganze Welt retten konnte. Doch er hätte sicher nicht auf sie gehört. “Desiree kann froh sein, dass du damals für sie da warst”, erklärte sie schlicht, stand auf und trat zu ihm. “Und ich bin auch froh.” Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn.
Als der Kuss nicht endete, räusperte sich Shayne. “Ich muss los”, verkündete er. “Falls etwas ist, bin ich im Büro.”
Weder Lorelei noch Michael hörte, wie er amüsiert lachend die Suite verließ.
Michaels Haus stand in dem Teil von New Orleans, der unter dem Namen Faubourg Marigny Historic District bekannt war. Obwohl man dieses Viertel vom Französischen Viertel aus zu Fuß in nur wenigen Minuten erreichte, tauchte man in die Welt des letzten Jahrhunderts ein. 1806 war dieses Wohnviertel entstanden. “Faubourg” war das französische Wort für “Vorort”. Französische und spanische Kreolen hatten sich hier angesiedelt.
In den folgenden Jahrzehnten waren Einwanderer aus Italien, Irland und Deutschland in die angrenzenden Straßen gezogen. Lorelei wusste noch aus ihrer Schulzeit, dass früher so viele Deutsche zwischen der Esplanade und den Elysian Fields gewohnt hatten, dass man diesen Teil “Klein Sachsen” nannte.
“Von hier kommst du bequem zu deinem Büro”, stellte sie fest, als sie an alten Häusern vorbeifuhren, in denen jetzt Jazzclubs und Restaurants untergebracht waren.
“Stimmt, aber deshalb bin ich nicht hierhergezogen.”
“Warum dann?” Als sie die Stadt verlassen hatte, war es mit dieser Gegend bergab gegangen. Jetzt blühte sie wieder auf. “Das Französiche Viertel liegt noch näher.”
“Es hat sich seit deinem Weggang stark verändert”, erklärte er. “Dort denkt man nur noch an schnelles Geld, das man mit Touristen verdienen kann. Sogar die vornehme Gegend des Garden Districts, in dem deine Eltern wohnen, wird von Rundfahrtenbussen heimgesucht. Nur dieses Viertel hier ist noch unberührt.”
Lorelei musste ihm Recht geben. Die berühmteste alte Brauerei, die Jax Brewery, war in ein modernes Einkaufszentrum verwandelt worden. Und die Souvenirläden und Geschäfte für T-Shirts schossen überall aus dem Boden wie Unkraut.
“Außerdem gefällt es mir hier”, fuhr er fort und bog von der Frenchmen Avenue in eine gepflasterte Einfahrt. “Die Leute gehen noch lieber zu Fuß, als das Auto zu nehmen. Nach Sonnenuntergang ist vor den Clubs zwar so einiges los, aber tagsüber sind die Straßen hier verschlafen.”
Sie lachte, verstummte jedoch, als sie das Haus betrachtete, neben dem er parkte. “Das gehört dir?”
“Es gehört in erster Linie der Bank, aber sie lässt mich hier wohnen.” Er stellte den Motor ab und steckte den Zündschlüssel ein.
“Es ist entzückend.” Das Haus besaß einen fünfeckigen Grundriss, um sich dem keilförmigen Grundstück anzupassen. Außerhalb des Französischen Viertels waren derartige Grundstücke nicht ungewöhnlich. Die Städteplaner hatten die Straßen den Windungen des nahen Flusses anpassen müssen.
Das aus Ziegeln errichtete Haus im französischen Stil stand direkt am Bürgersteig. Es war in Kaffeebraun, Rot und Blau, den traditionellen Farben der Kreolen, gestrichen.
“Ich bin noch am Renovieren.” Michael schloss die Tür des historischen Gebäudes auf. “Angesichts der nötigen Arbeiten und meiner finanziellen Mittel ist das eine Lebensaufgabe.”
“Eine Herzensangelegenheit”, stellte sie fest und betrachtete das Wohnzimmer. An den Wänden lagen die rosafarbenen handgefertigten Ziegel frei. An der Decke konnte man wunderbare Balken
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